G.W.F.
HEGEL, DIE PHÄNOMENOLOGIE DES GEISTES, VORREDE, BAMBERG UND WÜRZBURG
1807. Eine Erklärung, wie sie einer Schrift in einer Vorrede nach der Gewohnheit
vorausgeschickt wird - über den Zweck, den der Verfasser sich in ihr vorgesetzt,
sowie über die Veranlassungen und das Verhältnis, worin er sie zu
andern frühern oder gleichzeitigen Behandlungen desselben Gegenstandes
zu stehen glaubt - , scheint bei einer philosophischen Schrift nicht nur überflüssig,
sondern um der Natur der Sache willen sogar unpassend und zweckwidrig zu sein.
Denn wie und was von Philosophie in einer Vorrede zu sagen schicklich wäre
- etwa eine historische ANGABE der Tendenz und des Standpunkts, des allgemeinen
Inhalts und der Resultate, eine Verbindung von hin und her sprechenden Behauptungen
und Versicherungen über das Wahre - , kann nicht für die Art und Weise
gelten, in der die philosophische Wahrheit darzustellen sei. - Auch weil die
Philosophie wesentlich im Elemente der Allgemeinheit ist, die das Besondere
in sich schließt, so findet bei ihr mehr als bei andern Wissenschaften
der Schein statt, als ob in dem Zwecke oder den letzten Resultaten die Sache
selbst und sogar in ihrem vollkommenen Wesen ausgedrückt wäre, gegen
welches die Ausführung eigentlich das Unwesentliche sei. In der allgemeinen
Vorstellung hingegen, zum Beispiel was Anatomie sei, etwa die Kenntnis der Teile
des Körpers nach ihrem unlebendigen Dasein betrachtet, ist man überzeugt,
die Sache selbst, den Inhalt dieser Wissenschaft, noch nicht zu besitzen, sondern
außerdem um das Besondere sich bemühen zu müssen. - Ferner ist
bei einem solchen Aggregate von Kenntnissen, das den Namen Wissenschaft nicht
mit Recht führt, eine Konversation über Zweck und dergleichen Allgemeinheiten
nicht von der historischen und begrifflosen Weise verschieden, worin von dem
Inhalte selbst, diesen Nerven, Muskeln und so fort, gesprochen wird. Bei der
Philosophie hingegen würde die Ungleichheit entstehen, daß von einer
solchen Weise Gebrauch gemacht, und diese doch von ihr selbst als unfähig,
die Wahrheit zu erfassen, aufgezeigt würde. [Absatz] So wird auch durch
die Bestimmung des Verhältnisses, das ein philosophisches Werk zu andern
Bestrebungen über denselben Gegenstand zu haben glaubt, ein fremdartiges
Interesse hereingezogen, und das, worauf es bei der Erkenntnis der Wahrheit
ankommt, verdunkelt. So fest der Meinung der Gegensatz des Wahren und des Falschen
wird, so pflegt sie auch entweder Beistimmung oder Widerspruch gegen ein vorhandenes
philosophisches System zu erwarten, und in einer Erklärung über ein
solches nur entweder das eine oder das andere zu sehen. Sie begreift die Verschiedenheit
philosophischer Systeme nicht so sehr als die fortschreitende Entwicklung der
Wahrheit, als sie in der Verschiedenheit nur den Widerspruch sieht. Die Knospe
verschwindet in dem Hervorbrechen der Blüte, und man könnte sagen,
daß jene von dieser widerlegt wird, ebenso wird durch die Frucht die Blüte
für ein falsches Dasein der Pflanze erklärt, und als ihre Wahrheit
tritt jene an die Stelle von dieser. Aber ihre flüssige Natur macht sie
zugleich zu Momenten der organischen Einheit, worin sie sich nicht nur widerstreiten,
sondern eins so notwendig als das andere ist, und diese gleiche Notwendigkeit
macht erst das Leben des Ganzen aus. Aber der Widerspruch gegen ein philosophisches
System pflegt teils sich selbst nicht auf diese Weise zu begreifen, teils auch
weiß das auffassende Bewußtsein gemeinhin nicht, ihn von seiner
Einseitigkeit zu befreien oder frei zu erhalten, und in der Gestalt des streitend
und sich zuwider Scheinenden gegenseitig notwendige Momente zu erkennen. [Absatz]
Die Foderung von dergleichen Erklärungen sowie die Befriedigung derselben
scheinen vielleicht das Wesentliche zu betreiben. Worin könnte mehr das
Innere einer philosophischen Schrift ausgesprochen sein als in den Zwecken und
Resultaten derselben, und wodurch diese bestimmter erkannt werden als durch
ihre Verschiedenheit von dem, was das Zeitalter sonst in derselben Sphäre
hervorbringt? Wenn aber ein solches Tun für mehr als für den Anfang
des Erkennens, wenn es für das wirkliche Erkennen gelten soll, ist es in
der Tat zu den Erfindungen zu rechnen, die Sache selbst zu umgehen, und dieses
beides zu verbinden, den Anschein des Ernstes und Bemühens um sie, und
die wirkliche Ersparung desselben. - Denn die Sache ist nicht in ihrem ZWECKE
erschöpft, sondern in ihrer AUSFÜHRUNG, noch ist das RESULTAT das
WIRKLICHE Ganze, sondern es zusammen mit seinem Werden;
der Zweck für sich ist das unlebendige Allgemeine, wie die Tendenz
das bloße Treiben, das seiner Wirklichkeit noch entbehrt, und das nackte
Resultat ist der Leichnam, der sie hinter sich gelassen. - Ebenso ist die VERSCHIEDENHEIT
vielmehr die GRENZE der Sache; sie ist da, wo die Sache aufhört, oder sie
ist das, was diese nicht ist. Solche Bemühungen mit dem Zwecke oder den
Resultaten, sowie mit den Verschiedenheiten und Beurteilungen des einen und
des andern, sind daher eine leichtere Arbeit, als sie vielleicht scheinen. Denn
statt mit der Sache sich zu befassen, ist solches Tun immer über sie hinaus,
statt in ihr zu verweilen und sich in ihr zu vergessen, greift solches Wissen
immer nach einem Andern, und bleibt vielmehr bei sich selbst, als daß
es bei der Sache ist und sich ihr hingibt. - Das leichteste ist, was Gehalt
und Gediegenheit hat, zu beurteilen, schwerer, es zu fassen, das schwerste,
was beides vereinigt, seine Darstellung hervorzubringen. [Absatz] Der Anfang
der Bildung und des Herausarbeitens aus der Unmittelbarkeit des substantiellen
Lebens wird immer damit gemacht werden müssen, Kenntnisse allgemeiner Grundsätze
und Gesichtspunkte zu erwerben, sich nur erst zu dem Gedanken der Sache überhaupt
heraufzuarbeiten, nicht weniger sie mit Gründen zu unterstützen oder
zu widerlegen, die konkrete und reiche Fülle nach Bestimmtheiten aufzufassen,
und ordentlichen Bescheid und ernsthaftes Urteil über sie zu erteilen zu
wissen. Dieser Anfang der Bildung wird aber zunächst dem Ernste des erfüllten
Lebens Platz machen, der in die Erfahrung der Sache selbst hineinführt,
und wenn auch dies noch hinzukommt, daß der Ernst des Begriffs in ihre
Tiefe steigt, so wird eine solche Kenntnis und Beurteilung in der Konversation
ihre schickliche Stelle behalten. [Absatz] Die wahre Gestalt, in welcher die
Wahrheit existiert, kann allein das wissenschaftliche System derselben sein.
Daran mitzuarbeiten, daß die Philosophie der Form der Wissenschaft näher
komme - dem Ziele, ihren Namen der LIEBE zum WISSEN ablegen zu können und
WIRKLICHES WISSEN zu sein - , ist es, was ich mir
vorgesetzt. Die innere Notwendigkeit, daß das Wissen Wissenschaft sei,
liegt in seiner Natur, und die befriedigende Erklärung hierüber ist
allein die Darstellung der Philosophie selbst. Die äußere Notwendigkeit
aber, insofern sie, abgesehen von der Zufälligkeit der Person und der individuellen
Veranlassungen, auf eine allgemeine Weise gefaßt wird, ist dasselbe, was
die innere, in der Gestalt, wie die Zeit das Dasein ihrer Momente vorstellt.
Daß die Erhebung der Philosophie zur Wissenschaft an der Zeit ist, dies
aufzuzeigen würde daher die einzig wahre Rechtfertigung der Versuche sein,
die diesen Zweck haben, weil sie die Notwendigkeit desselben dartun, ja weil
sie ihn zugleich ausführen würde. [Absatz] Indem die wahre Gestalt
der Wahrheit in die Wissenschaftlichkeit gesetzt wird - oder, was dasselbe ist,
indem die Wahrheit behauptet wird, an dem BEGRIFFE allein das Element ihrer
Existenz zu haben - , so weiß ich, daß dies im Widerspruch mit einer
Vorstellung und deren Folgen zu stehen scheint, welche eine so große Anmaßung
als Ausbreitung in der Überzeugung des Zeitalters hat. Eine Erklärung
über diesen Widerspruch scheint darum nicht überflüssig; wenn
sie auch hier weiter nichts als gleichfalls eine Versicherung, wie das, gegen
was sie geht, sein kann. Wenn nämlich das Wahre nur in demjenigen oder
vielmehr nur als dasjenige existiert, was balt Anschauung, bald unmittelbares
Wissen des Absoluten, Religion, das Sein - nicht im Zentrum der göttlichen
Liebe, sondern das Sein desselben selbst - genannt wird, so wird von da aus
zugleich für die Darstellung der Philosophie vielmehr das Gegenteil der
Form des Begriffs gefodert. Das Absolute soll nicht begriffen, sondern gefühlt
und angeschaut, nicht sein Begriff, sondern sein Gefühl und Anschauung
sollen das Wort führen und ausgesprochen werden. [Absatz] Wird die Erscheinung
einer solchen Foderung nach ihrem allgemeinern Zusammenhange aufgefaßt,
und auf die Stufe gesehen, worauf der selbstbewußte Geist gegenwärtig
steht, so ist er über das substantielle Leben, das er sonst im Elemente
des Gedankens führte, hinaus, - über diese Unmittelbarkeit seines
Glaubens, über die Befriedigung und Sicherheit der Gewißheit, welche
das Bewußtsein von seiner Versöhnung mit dem Wesen und dessen allgemeiner,
der innern und äußern, Gegenwart besaß. Er ist nicht nur darüber
hinausgegangen, in das andere Extrem der substanzlosen Reflexion seiner in sich
selbst, sondern auch über diese. Sein wesentliches Leben ist ihm nicht
nur verloren, er ist auch dieses Verlustes, und der Endlichkeit, die sein Inhalt
ist, bewußt. Von den Trebern sich wegwendend, daß er im Argen liegt,
bekennend und darauf schmähend, verlangt er nun von der Philosophie nicht
sowohl das WISSEN dessen, was er IST, als zur Herstellung jeder Substantialität
und der Gediegenheit des Seins erst wieder durch sie zu gelangen. Diesem Bedürfnisse
soll sie also nicht so sehr die Verschlossenheit der Substanz aufschließen,
und diese zum Selbstbewußtsein erheben - nicht so sehr ihr chaotisches
Bewußtsein zur gedachten Ordnung und zur Einfachheit des Begriffes zurückzubringen,
als vielmehr die Sonderungen des Gedankens zusammenzuschütten, den unterscheidenden
Begriff unterdrücken und das Gefühl des Wesens herstellen, nicht sowohl
EINSICHT als ERBAUUNG zu gewähren. Das Schöne, Heilige, Ewige, die
Religion und Liebe sind der Köder, der gefodert wird, um die Lust zum Anbeißen
zu erwecken, nicht der Begriff, sondern die Extase, nicht die kalt fortschreitende
Notwendigkeit der Sache, sondern die gärende Begeisterung soll die Haltung
und fortleitende Ausbreitung des Reichtums der Substanz sein. [Absatz] Dieser
Foderung entspricht die angestrengte und fast eifernd und gereizt sich zeigende
Bemühung, die Menschen aus der Versunkenheit ins Sinnliche, Gemeine und
Einzelne herauszureißen und ihren Blick zu den Sternen aufzurichten; als
ob sie, des Göttlichen ganz vergessend, mit Staub und Wasser, wie der Wurm,
auf dem Punkte sich zu befriedigen stünden. Sonst hatten sie einen Himmel
mit weitläufigem Reichtume von Gedanken und Bildern ausgestattet. Von allem,
was ist lag die Bedeutung in dem Lichtfaden, durch den es an den Himmel geknüpft
war; an ihm, statt in DIESER Gegenwart zu verweilen, glitt der Blick über
sie hinaus, zum göttlichen Wesen, zu einer, wenn man so sagen kann, jenseitigen
Gegenwart hinauf. Das Auge des Geistes mußte mit Zwang auf das Irdische
gerichtetund bei ihm festgehalten werden; und es hat einer langen Zeit bedurft,
jene Klarheit, die nur das Überirdische hatte, in die Dumpfheit und Verworrenheit,
worin der Sinn des Diesseitigen lag, hineinzuarbeiten, und die Aufmerksamkeit
auf das Gegenwärtige als solches, welche ERFAHRUNG genannt wurde, interessant
und geltend zu machen. - Jetzt scheint die Not des Gegenteils vorhanden, der
Sinn so sehr in das Irdische festgewurzelt, daß es gleicher Gewalt bedarf,
ihn darüber zu erheben. Der Geist zeigt sich so arm, daß er sich,
wie in der Sandwüste der Wanderer nach einem einfachen Trunk Wasser, nur
nach dem dürftigen Gefühle des Göttlichen überhaupt für
seine Erquickung zu sehnen scheint. An diesem, woran dem Geiste genügt,
ist die Größe seines Verlustes zu ermessen. [Absatz] Diese Genügsamkeit
des Empfangens oder Sparsamkeit des Gebens ziemt jedoch der Wissenschaft nicht.
Wer nur Erbauung sucht, wer seine irdische Mannigfaltigkeit des Daseins und
des Gedankens in Nebel einzuhüllen und nach dem unbestimmten Genusse dieser
unbestimmten Göttlichkeit verlangt, mag zusehen, wo er dies findet; er
wird leicht selbst sich etwas vorzuschwärmen und damit aufzuspreizen die
Mittel finden. Die Philosophie aber muß sich hüten, erbaulich sein
zu wollen. [Absatz] Noch weniger muß diese Genügsamkeit, die auf
die Wissenschaft Verzicht tut, darauf Anspruch machen, daß solche Begeisterung
und Trübheit etwas Höheres sei als die Wissenschaft. Dieses prophetische
Reden meint gerade so recht im Mittelpunkte und der Tiefe zu bleiben, blickt
verächtlich auf die Bestimmtheit (den HOROS), und hält sich absichtlich
von dem Begriffe und der Notwendigkeit entfernt, als von der Reflexion, die
nur in der Endlichkeit hause. Wie es aber eine leere Breite gibt, so auch eine
leere Tiefe, wie eine Extension der Substanz, sie zusammenzuhalten - so ist
dies eine gehaltlose Intensität, welche als lautere Kraft ohne Ausbreitung
sich haltend, dasselbe ist, was die Oberflächlichkeit. Die Kraft des Geistes
ist nur so groß als ihre Äußerung, seine Tiefe nur so tief,
als er in seiner Auslegung sich auszubreiten und sich zu verlieren getraut.
- Zugleich wenn dies begrifflose substantielle Wissen die Eigenheit des Selbst
in dem Wesen versenkt zu haben und wahr und heilig zu philosophieren vorgibt,
so verbirgt es sich, daß es statt dem Gotte ergeben zu sein, durch die
Verschmähung des Maßes und der Bestimmung vielmehr nur bald in sich
selbst die Zufälligkeit des Inhalts, bald in ihm die eigne Willkür
gewähren läßt. - Indem sie sich dem ungebändigten Gären
der Substanz überlassen, meinen sie, durch die Einhüllung des Selbstbewußtseins
und Aufgeben des Verstands, die SEINEN zu sein, denen Gott die Weisheit im Schlafe
gibt; was sie so in der Tat im Schlafe empfangen und gebähren, sind darum
auch Träume. [Absatz] Es ist übrigens nicht schwer zu sehen, daß
unsre Zeit eine Zeit der Geburt und des Übergangs zu einer neuen Periode
ist. Der Geist hat mit der bisherigen Welt seines Daseins und Vorstellens gebrochen
und steht im Begriffe, es in die Vergangenheit hinab zu versenken, und in der
Arbeit seiner Umgestaltung. Zwar ist er nie in Ruhe, sondern in immer fortschreitender
Bewegung begriffen. Aber wie beim Kinde nach langer stiller Ernährung der
erste Atemzug jene Allmählichkeit des nur vermehrenden Fortgangs abbricht
- ein qualitativer Sprung - und itzt das Kind geboren ist, so reift der sich
bildende Geist langsam und stille der neuen Gestalt entgegen, löst ein
Teilchen des Baues seiner vorgehenden WELT
nach dem andern auf, ihr Wanken wird nur durch einzelne Symptome angedeutet;
der Leichtsinn wie die Langeweile, die im Bestehenden einreißen, die unbestimmte
Ahnung eines Unbekannten sind Vorboten, daß etwas anderes im Anzuge ist.
Dies allmähliche Zerbröckeln, das die Physiognomie des Ganzen nicht
veränderte, wird durch den Aufgang unterbrochen, der, ein Blitz, in einem
Male das Gebilde der neuen Welt hinstellt [Absatz] Allein eine vollkommene Wirklichkeit
hat dies Neue sowenig als das eben geborne Kind; und dies ist wesentlich nicht
außer acht zu lassen. Das erste Auftreten ist erst seine Unmittelbarkeit
oder sein Begriff. Sowenig ein Gebäude fertig ist, wenn sein Grund gelegt
worden, sowenig ist der erreichte Begriff des Ganzen das Ganze selbst. Wo wir
eine Eiche in der Kraft ihres Stammes und in der Ausbreitung ihrer Äste
und den Massen ihrer Belaubung zu sehen wünschen, sind wir nicht zufrieden,
wenn uns an dieser Stelle eine Eichel gezeigt wird. So ist die Wissenschaft,
die Krone einer Welt des Geistes, nicht in ihrem Anfange vollendet. Der Anfang
des neuen Geistes ist das Produkt einer weitläufigen Umwälzung von
mannigfaltigen Bildungsformen, der Preis eines vielfach verschlungnen Weges
und ebenso vielfacher Anstrengung und Bemühung. Er ist das aus der Sukzession
wie aus seiner Ausdehnung in sich zurückgegangene Ganze, der gewordne EINFACHE
BEGRIFF desselben. Die Wirklichkeit dieses einfachen Ganzen aber besteht darin,
daß jene zu Momenten gewordne Gestaltungen sich wieder von neuem, aber
in ihrem neuen Elemente, in dem gewordenen Sinne entwickeln und Gestaltung geben.
[Absatz] Indem einerseits die erste Erscheinung der neuen Welt nur erst das
in seine EINFACHHEIT verhüllte Ganze oder sein allgemeiner Grund ist, so
ist dem Bewußtsein dagegen der Reichtum des vorhergehenden Daseins noch
in der Erinnerung gegenwärtig. Es vermißt an der neu erscheinenden
Gestalt die Ausbreitung und Besonderung des Inhalts; noch mehr aber vermißt
es die Ausbildung der Form, wodurch die Unterschiede mit Sicherheit bestimmt
und in ihre festen Verhältnisse geordnet sind. Ohne diese Ausbildung entbehrt
die Wissenschaft der allgemeinen VERSTÄNDLICHKEIT, und hat den Schein,
ein esoterisches Besitztum einiger Einzelnen zu sein; - ein esoterisches Besitztum:
denn sie ist nur erst in ihrem Begriffe oder ihr Innres vorhanden; einiger Einzelnen:
denn ihre unausgebreitete Erscheinung macht ihr Dasein zum Einzelnen. Erst was
vollkommen bestimmt ist, ist zugleich exoterisch, begreiflich, und fähig,
gelernt und das Eigentum aller zu sein. Die verständigte Form der Wissenschaft
ist der allen dargebotene und für alle gleichgemachte Weg zu ihr, und durch
den Verstand zum vernünftigen Wissen zu gelangen ist die gerechte Foderung
des Bewußtseins, das zur Wissenschaft hinzutritt; denn der Verstand ist
das Denken, das reine Ich überhaupt; und das Verständige ist das schon
Bekannte und das Gemeinschaftliche der Wissenschaft und des unwissenschaftlichen
Bewußtseins, wodurch dieses unmittelbar in jene einzutreten vermag. [Absatz]
Die Wissenschaft, die erst beginnt, und es also noch weder zur Vollständigkeit
des Details noch zur Vollkommenheit der Form gebracht hat, ist dem Tadel darüber
ausgesetzt. Aber wenn dieser ihr Wesen treffen soll, so würde er ebenso
ungerecht sein, als es unstatthaft ist, die Foderung jener Ausbildung nicht
anerkennen zu wollen. Dieser Gegensatz scheint der hauptsächlichste Knoten
zu sein, an dem die wissenschaftliche Bildung sich gegenwärtig zerarbeitet
und worüber sie sich noch nicht gehörig versteht. Der eine Teil pocht
auf den Reichtum des Materials und die Verständlichkeit, der andere verschmäht
wenigstens diese und pocht auf die unmittelbare Vernünftigkeit und Göttlichkeit.
Wenn auch jener Teil, es sei durch die Kraft der Wahrheit allein oder auch durch
das Ungestüm des andern, zum Stillschweigen gebracht ist, und wenn er in
Ansehung des Grunds der Sache sich überwältigt fühlte, so ist
er darum in Ansehung jener Foderungen nicht befriedigt, denn sie sind gerecht,
aber nicht erfüllt. Sein Stillschweigen gehört nur halb dem Siege,
halb aber der Langeweile und Gleichgültigkeit, welche die Folge einer beständig
erregten Erwartung und nicht erfolgten Erfüllung der Versprechungen zu
sein pflegt. [Absatz] In Ansehung des Inhalts machen die andern sich es wohl
zuweilen leicht genug, eine große Ausdehnung zu haben. Sie ziehen auf
ihren Boden eine Menge Material, nämlich das schon Bekannte und Geordnete,
herein, und indem sie sich vornehmlich mit den Sonderbarkeiten und Kuriositäten
zu tun machen, scheinen sie um so mehr das übrige, womit das Wissen in
seiner Art schon fertig war, zu besitzen, zugleich auch das noch Ungeregelte
zu beherrschen, und somit alles der absoluten Idee zu unterwerfen, welche hiemit
in allem erkannt, und zur ausgebreiteten Wissenschaft gediehen zu sein scheint.
Näher aber diese Ausbreitung betrachtet, so zeigt sie sich nicht dadurch
zustande gekommen, daß ein und dasselbe sich selbst verschieden gestaltet
hätte, sondern sie ist die gestaltlose Wiederholung des einen und desselben,
das nur an das verschiedene Material äußerlich angewendet ist, und
einen langweiligen Schein der Verschiedenheit erhält. Die für sich
wohl wahre Idee bleibt in der Tat nur immer in ihrem Anfange stehen, wenn die
Entwicklung in nichts als in einer solchen Wiederholung derselben Formel besteht.
Die EINE unbewegte Form vom wissenden Subjekte an dem Vorhandenen herumgeführt,
das Material in dies ruhende Element von außenher eingetaucht, dies ist
so wenig, als willkürliche Einfälle über den Inhalt, die Erfüllung
dessen, was gefodert wird, nämlich der aus sich entspringende Reichtum
und sich selbst bestimmende Unterschied der Gestalten. Es ist vielmehr ein einfärbiger
Formalismus, der nur zum Unterschiede des Stoffes, und zwar dadurch kommt, weil
dieser schon bereitet und bekannt ist. [Absatz] Dabei behauptet er diese Eintönigkeit
und die abstrakte Allgemeinheit für das Absolute; er versichert, daß
die Ungenügsamkeit mit ihr eine Unfähigket sei, sich des absoluten
Standpunkts zu bemächtigen und auf ihm festzuhalten. Wenn sonst die leere
Möglichkeit, sich etwas auf eine andere Weise vorzustellen, hinreichte,
um eine Vorstellung zu widerlegen, und dieselbe bloße Möglichkeit,
der allgemeine Gedanke, auch den ganzen positiven Wert des wirklichen Erkennens
hatte, so sehen wir hier ebenso der allgemeinen Idee in dieser Form der Unwirklichkeit
allen Wert zugeschrieben, und die Auflösung des Unterschiedenen und Bestimmten,
oder vielmehr das weiter nicht entwickelte noch an ihm selbst sich rechtfertigende
Hinunterwerfen desselben in den Abgrund des Leeren für spekulative Betrachtungsart
gelten. Irgendein Dasein, wie es im ABSOLUTEN ist, betrachten, besteht hier
in nichts anderem, als daß davon gesagt wird, es sei zwar jetzt von ihm
gesprochen worden, als von einem Etwas, im Absoluten, dem A=A, jedoch gebe es
dergleichen gar nicht, sondern darin sei alles eins. Dies EINE Wissen, daß
im Absoluten alles gleich ist, der unterscheidenden und erfüllten oder
Erfüllung suchenden und fodernden Erkenntnis entgegenzusetzen - oder sein
ABSOLUTES für die Nacht auszugeben, worin, wie man zu sagen pflegt, alle
Kühe schwarz sind, ist die Naivität der Leere an Erkenntnis. - Der
Formalismus, den die Philosophie neuerer Zeit verklagt und geschmäht, und
der sich in ihr selbst wieder erzeugte, wird, wenn auch seine Ungenügsamkeit
bekannt und gefühlt ist, aus der Wissenschaft nicht verschwinden, bis das
Erkennen der absoluten Wirklichkeit sich über seine Natur vollkommen klar
geworden ist. - In der Rücksicht, daß die allgemeine Vorstellung,
wenn sie dem, was ein Versuch ihrer Ausführung ist, vorangeht, das Auffassen
der letztern erleichtert, ist es dienlich, das Ungefähre derselben hier
anzudeuten, in der Absicht zugleich, bei dieser Gelegenheit einige Formen zu
entfernen, deren Gewohnheit ein Hindernis für das philosophische Erkennen
ist. [Absatz] Es kömmt nach meiner Einsicht, welche sich durch die Darstellung
des Systems selbst rechtfertigen muß, alles darauf an, das Wahre nicht
als SUBSTANZ, sondern ebensosehr als SUBJEKT aufzufassen und auszudrücken.
Zugleich ist zu bemerken, daß die Substantialität sosehr das Allgemeine
oder die UNMITTELBARKEIT DES WISSENS als diejenige, welche SEIN oder Unmittelbarkeit
FÜR DAS Wissen ist, in sich schließt. - Wenn, Gott als die EINE Substanz
zu fassen, das Zeitalter empörte, worin diese Bestimmung ausgesprochen
wurde, so lag teils der Grund hievon in dem Instinkte, daß darin das Selbstbewußtsein
nur untergegangen, nicht erhalten ist, teils aber ist das Gegenteil, welches
das Denken als Denken festhält, die ALLGEMEINHEIT, dieselbe Einfachheit
oder ununterschiedne, unbewegte Substantialität, und wenn drittens das
Denken das Sein der Substanz als solche mit sich vereint und die Unmittelbarkeit
oder das Anschauen als Denken erfaßt, so kömmt es noch darauf an,
ob dieses intellektuelle Anschauen nicht wieder in die träge Einfachheit
zurückfällt, und die Wirklichkeit selbst auf eine unwirkliche Weise
darstellt. [Absatz] Die lebendige Substanz ist ferner das Sein, welches in Wahrheit
SUBJEKT, oder, was dasselbe heißt, welches in Wahrheit wirklich ist, nur
insofern sie die Bewegung des Sich-selbst-setzens, oder die Vermittlung des
Sich-anders-werdens mit sich selbst ist. Sie ist als Subjekt die reine EINFACHE
NEGATIVITÄT, eben dadurch die Entzweiung des Einfachen, oder die entgegensetzende
Verschiedenheit und ihres Gegensatzes ist; nur diese sich WIEDERHERSTELLENDE
Gleichheit oder die Reflexion im Anderssein in sich selbst - nicht eine URSPRÜNGLICHE
Einheit als solche, oder UNMITTELBARE als solche, ist das Wahre. Es ist das
Werden seiner selbst, der Kreis, der sein Ende als seinen Zweck voraussetzt
und zum Anfange hat, und nur durch die Ausführung und sein Ende wirklich
ist. [Absatz] Das
Leben Gottes und das göttliche Erkennen mag also wohl als ein Spielen der
Liebe mit sich selbst ausgesprochen werden; diese Idee sinkt zur Erbaulichkeit
und selbst zu Fadheit herab, wenn der Ernst, der Schmerz, die Geduld und Arbeit
des Negativen darin fehlt. AN SICH ist jenes Leben wohl die ungetrübte
Gleichheit und Einheit mit sich selbst, der es kein Ernst mit dem Anderssein
und der Entfremdung, so wie mit dem Überwinden dieser Entfremdung ist.
Aber dies AN-SICH ist die abstrakte Allgemeinheit, in welcher von seiner Natur,
FÜR SICH ZU SEIN, und damit überhaupt von der Selbstbewegung der Form
abgesehen wird. Wenn die Form als dem Wesen gleich ausgesagt wird, so ist es
eben darum ein Mißverstand, zu meinen, daß das Erkennen sich mit
dem An-sich oder dem Wesen begnügen, die Form aber ersparen könne;
- daß der absolute Grundsatz oder die absolute Anschauung, die Ausführung
des erstern oder die Entwicklung des andern entbehrlich mache. Gerade weil die
Form dem Wesen so wesentlich ist, als es sich selbst, ist es nicht bloß
als Wesen, d.h. als unmittelbare Substanz, oder als reine Selbstanschauung des
Göttlichen zu fassen und auszudrücken, sondern ebensosehr als FORM
und im ganzen Reichtum der entwickelten Form; dadurch wird es erst als Wirkliches
gefaßt und ausgedrückt. [Absatz] Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze
aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen. Es ist von
dem Absoluten zu sagen, daß es wesentlich RESULTAT, daß es erst
am ENDE das ist, was es in Wahrheit ist; und hierin eben besteht seine Natur,
Wirkliches, Subjekt, oder Sich-selbst-werden, zu sein. So widersprechend es
scheinen mag, daß das Absolute wesentlich als Resultat zu begreifen sei,
so stellt doch eine geringe Überlegung diesen Schein von Widerspruch zurecht.
Der Anfang, das Prinzip, oder das Absolute, wie es zuerst und unmittelbar ausgesprochen
wird, ist nur das Allgemeine. Sowenig, wenn ich sage: ALLE Tiere, dies Wort
für eine Zoologie gelten kann, ebenso fällt es auf, daß die
Worte des Göttlichen, Absoluten, Ewigen u.s.w. das nicht aussprechen, was
darin enthalten ist; - und nur solche Worte drücken in der Tat die Anschauung
als das Unmittelbare aus. Was mehr ist, als ein solches Wort, der Übergang
auch nur zu einem Satze, ist ein ANDERSWERDEN, das zurückgenommen werden
muß, ist eine Vermittlung. Diese aber ist das, was perhorresziert wird,
als ob dadurch, daß mehr aus ihr gemacht wird denn nur dies, daß
sie nichts Absolutes und im Absoluten gar nicht sei, die absolute Erkenntnis
aufgegeben wäre. [Absatz] Dies Perhorreszieren stammt aber in der Tat aus
der Unbekanntschaft mit der Natur der Vermittlung und des absoluten Erkennens
selbst. Denn die Vermittlung ist nichts anders als die sich bewegende Sichselbstgleichheit,
oder sie ist die Reflexion in sich selbst, das Moment des fürsichseienden
Ich, die reine Negativität oder das EINFACHE WERDEN. Das Ich, oder das
Werden überhaupt, dieses Vermitteln ist um seiner Einfachheit willen eben
die werdende Unmittelbarkeit und das Unmittelbare selbst. - Es ist daher ein
Verkennen der Vernunft, wenn die Reflexion aus dem Wahren ausgeschlossen und
nicht als positives Moment des Absoluten erfaßt wird. Sie ist es, die
das Wahre zum Resultate macht, aber diesen Gegensatz gegen sein Werden ebenso
aufhebt, denn dies Werden ist ebenso einfach und daher von der Form des Wahren,
im Resultate sich als EINFACH zu zeigen, nicht verschieden; es ist vielmehr
eben dies Zurückgegangensein in die Einfachheit. - Wenn der Embryo wohl
AN SICH Mensch ist, so ist er es aber nicht FÜR SICH; für sich ist
er es nur als gebildete Vernunft, die sich zu dem GEMACHT hat, was sie AN SICH
ist. Dies erst ist ihre Wirklichkeit. Aber dies Resultat ist selbst einfache
Unmittelbarkeit, denn es ist die selbstbewußte Freiheit, die in sich selbst
ruht, und den Gegensatz nicht auf die Seite gebracht hat und ihn da liegen läßt,
sondern mit ihm versöhnt ist. [Absatz] Das Gesagte kann auch so ausgedrückt
werden, daß die Vernunft das ZWECKMÄSSIGE TUN ist. Die Erhebung der
vermeinten Natur über das mißkannte Denken, und zunächst die
Verbannung der äußern Zweckmäßigkeit hat die Form des
ZWECKS überhaupt in Mißkredit gebracht. Allein, wie auch Aristoteles
die Natur als das zweckmäßige Tun bestimmt, der Zweck ist das Unmittelbare,
das Ruhende, welches selbst bewegend oder Subjekt ist. Seine abstrakte Kraft
zu bewegen ist das FÜR-SICH-SEIN oder die reine Negativität. Das Resultat
ist nur darum dasselbe, was der Anfang, weil der Anfang Zweck ist; - oder das
Wirkliche ist nur darum dasselbe, was sein Begriff, weil das Unmittelbare als
Zweck das Selbst oder die reine Wirklichkeit in ihm selbst hat. Der ausgeführte
Zweck oder das daseiende Wirkliche ist die Bewegung und das entfaltete Werden;
eben diese Unruhe aber ist das Selbst; und jener Unmittelbarkeit und Einfachheit
des Anfangs ist es darum gleich, weil es das Resultat, das in sich Zurückgekehrte
aber eben das Selbst, und das Selbst die sich auf sich beziehende Gleichheit
und Einfachheit ist. [Absatz] Das
Bedürfnis, das Absolute als SUBJEKT vorzustellen, bediente sich der Sätze:
GOTT ist das Ewige, oder die moralische Weltordnung
oder die Liebe u.s.f. In solchen Sätzen ist das Wahre nur geradezu als
Subjekt gesetzt, nicht aber als die Bewegung des sich In-sich-selbst-reflektierens
dargestellt. Es wird in einem Satze der Art mit dem Worte: GOTT angefangen.
Dies für sich ist ein sinnloser Laut, ein bloßer Name; erst das Prädikat
sagt, WAS ES IST, ist seine Erfüllung und Bedeutung; der leere Anfang wird
nur in diesem Ende ein wirkliches Wissen. Insofern ist nicht abzusehen, warum
nicht vom Ewigen, der moralischen Weltordnung u.s.f., oder, wie die Alten taten,
von reinen Begriffen, dem Sein, dem Einen u.s.f., von dem, was die Bedeutung
ist, allein gesprochen wird, ohne den sinnlosen Laut noch hinzuzufügen.
Aber durch dies Wort wird eben bezeichnet, daß nicht ein Sein oder Wesen
oder Allgemeines überhaupt, sondern ein in sich Reflektiertes, ein Subjekt
gesetzt ist. Allein zugleich ist dies nur antizipiert. Das Subjekt ist als fester
Punkt angenommen, an den als ihren Halt die Prädikate geheftet sind, durch
eine Bewegung, die dem von ihm Wissenden angehört, und die auch nicht dafür
angesehen wird, dem Punkte selbst anzugehören; durch sie aber wäre
allein der Inhalt als Subjekt dargestellt. In der Art, wie diese Bewegung beschaffen
ist, kann sie ihm nicht angehören; aber nach Voraussetzung jenes Punkts
kann sie auch nicht anders beschaffen, kann sie nur äußerlich sein.
Jene Antizipation, daß das Absolute Subjekt ist, ist daher nicht nur nicht
die Wirklichkeit dieses Begriffs, sondern macht sie sogar unmöglich, denn
jene setzt ihn als ruhenden Punkt, diese aber ist die Selbstbewegung. [Absatz]
Unter mancherlei
Folgerungen, die aus dem Gesagten fließen, kann diese herausgehoben werden,
daß das Wissen nur als Wissenschaft oder als SYSTEM wirklich ist und dargestellt
werden kann. Daß ferner ein sogenannter Grundsatz oder Prinzip der Philosophie,
wenn es wahr ist, schon darum auch falsch ist, weil er Grundsatz oder Prinzip
ist. - Es ist deswegen leicht, ihn zu widerlegen. Die Widerlegung besteht darin,
daß sein Mangel aufgezeigt wird; mangelhaft aber ist er, weil er nur das
Allgemeine oder Prinzip, der Anfang ist. Ist die Widerlegung gründlich,
so ist sie aus ihm selbst genommen und entwickelt, - nicht durch entgegengesetzte
Versicherungen und Einfälle von außen her bewerkstelligt. Sie würde
also eigentlich seine Entwicklung und somit die Ergänzung seiner Mangelhaftigkeit
sein, wenn sie sich nicht darin verkönnte, daß sie ihre NEGATIVE
Seite allein beachtet, und ihres Fortgangs und Resutates nicht auch nach seiner
positiven Seite bewußt wird. - Die eigentlich POSITIVE Ausführung
des Anfangs ist zugleich umgekehrt ebensosehr ein negatives Verhalten gegen
ihn, nämlich gegen seine einseitige Form, erst UNMITTELBAR oder ZWECK zu
sein. Sie kann somit ebensosehr als die Widerlegung desjenigen genommen werden,
was den GRUND des Systems ausmacht, besser aber als ein Aufzeigen, daß
der GRUND oder das Prinzip des Systems in der Tat nur sein ANFANG ist. [Absatz]
Daß das Wahre nur als System wirklich, oder daß die Substanz wesentlich
Subjekt ist, ist in der Vorstellung ausgedrückt, welche das Absolute als
GEIST ausspricht, - der erhabenste Begriff, und der der neuern Zeit und ihrer
Religion angehört. Das Geistige allein ist das WIRKLICHE; es ist das Wesen
oder AN-SICH-seiende, - das sich VERHALTENDE oder Bestimmte, das ANDERSSEIN
und FÜR-SICH-SEIN - und in dieser Bestimmtheit oder seinem Außer-sich-sein
in sich selbst Bleibende; - oder es ist AN und FÜR SICH. - Dies An-und-für-sich-sein
aber ist es erst für uns oder AN SICH, oder es ist die geistige SUBSTANZ.
Es muß dies auch FÜR SICH SELBST - muß das Wissen von dem Geistigen
und das Wissen von sich als dem Geiste sein; das heißt, es muß sich
als GEGENSTAND sein, aber ebenso unmittelbar als VERMITTELTER, das heißt
aufgehobener, in sich reflektierter Gegenstand. Er ist FÜR SICH nur für
uns, insofern sein geistiger Inhalt durch ihn selbst für sich ist, so ist
dieses Selbsterzeugen, der reine Begriff, ihm zugleich das gegenständliche
Element, worin er sein Dasein hat; und er ist auf diese Weise in seinem Dasein
für sich selbst in sich reflektierter Gegenstand. - Der Geist, der sich
so als Geist weiß, ist die WISSENSCHAFT. Sie ist seine Wirklichkeit und
das Reich, das er sich in seinem eigenen Elemente erbaut. [Absatz] Das REINE
Selbsterkennen im absoluten Anderssein, dieser Äther ALS SOLCHER, ist der
Grund und Boden der Wissenschaft oder das WISSEN IM ALLGEMEINEN. Der Anfang
der Philosophie macht die Voraussetzung oder Foderung, daß das Bewußtsein
sich in diesem Elemente befinde. Aber dieses Element hat seine Vollendung und
Durchsichtigkeit selbst nur durch die Bewegung seines Werdens. Es ist die reine
Geistigkeit, oder das Allgemeine, das die Weise der einfachen Unmittelbarkeit
hat. Weil es die Unmittelbarkeit des Geistes, weil die Substanz überhaupt
der Geist ist, ist sie di VERKLÄRTE WESENHEIT, die Reflexion, die sich
selbst einfach oder die Unmittelbarkeit ist, das Sein, das die Reflexion in
sich selbst ist. Die Wissenschaft von ihrer Seite verlangt vom Selbstbewußtsein,
daß es in diesen Äther sich erhoben habe, um mit ihr und in ihr leben
zu können und zu leben. Umgekehrt hat das Individuum das Recht zu fodern,
daß die Wissenschaft ihm die Leiter wenigstens zu diesem Standpunkte reiche.
Sein Recht gründet sich auf seine absolute Selbstständigkeit, die
es in jeder Gestalt seines Wissens zu besitzen weiß, denn in jeder, sei
sie von der Wissenschaft anerkannt oder nicht, und der Inhalt sei welcher er
wolle, ist es die absolute Form zugleich oder hat die UNMITTELBARE GEWISSHEIT
seiner selbst; und, wenn dieser Ausdruck vorgezogen würde, damit unbedingtes
SEIN. Wenn der Standpunkt des Bewußtseins, von gegenständlichen Dingen
im Gegensatze gegen sich selbst und von sich selbst im Gegensatze gegen sie
zu wissen, der Wissenschaft als das ANDRE gilt - das, worin es bei sich selbst
ist, vielmehr als der Verlust des Geistes - , so ist ihm dagegen das Element
der Wissenschaft eine jenseitige Ferne, worin es nicht mehr sich selbst besitzt.
Jeder
von diesen beiden Teilen scheint für den andern das Verkehrte der Wahrheit
zu sein. Daß das natürlich Bewußtsein sich der Wissenschaft
unmittelbar anvertraut, ist ein Versuch, den es, es weiß nicht von was
angezogen, macht, auch einmal auf dem Kopfe zu gehen; der Zwang, diese ungewohnte
Stellung anzunehmen und sich in ihr zu bewegen, ist eine so unvorbereitete als
unnötig scheinende Gewalt, die ihm angemutet wird, sich anzutun. - Die
Wissenschaft sei an ihr selbst, was sie will, im Verhältnisse zum unmittelbaren
Selbstbewußtsein stellt sie sich als ein Verkehrtes gegen es dar, oder
weil das unmittelbare Selbstbewußtsein das Prinzip der Wirklichkeit ist,
trägt sie, indem es für sich außer ihr ist, die Form der Unwirklichkeit.
Sie hat darum jenes Element mit ihr zu vereinigen, oder vielmehr zu zeigen,
daß und wie es ihr selbst angehört. Der Wirklichkeit entbehrend,
ist sie nur das AN-SICH, der ZWECK, der erst noch ein INNRES, nicht als Geist,
nur erst geistige Substanz ist. Sie hat sich zu äußern und für
sich selbst zu werden, dies heißt nichts anders als: sie hat das Selbstbewußtsein
als eins mit sich zu setzen. [Absatz] HOME