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Replik des Wachmanns

Zwischen den Tischen rollte ein Ball über den Boden. Vor einem Stuhl blieb er liegen, mit dem Schnittpunkt der Streifen nach oben.
Der Wachmann trat danach; ihm war der Blick der Journalistin nicht entgangen. Sie hatte einen ganzen Ordner mit Verrissen gegen ihn und drohte ihm dann und wann, sie zu veröffentlichen. Er lächelte ihr zu, sie lächelte zurück.
 

Sie hatte unrecht. Die Leute, die hier saßen, die ihnen auf der Straße begegneten, vertraten ihre Rollen gut, es war nichts daran auszusetzen. Sie schrieben sich handelbare Marken in die Gesichter, nach denen zu leben sie sich anheischig machten. Er nahm sie beim Wort. Ein Schauspieler, dachte er, verkörpert seine Rolle für den Zeitraum von zwei, drei Stunden, aber er verkörpert sie. Für die Zeit, die er seine Konzentration dafür aufwendet, sein Bild abzurunden, der Attitüde, ja auch Moral darin für diesen einen schmalen Zeitraum eine wirkliche Existenz zu verleihen, hatte er alle Achtung des Wachmanns.

Er blickte sich um.

Das Adidas-Emblem auf der Mütze eines Jungen blinkte ihm entgegen. Darin mochte der ganze Produktionszyklus dieser Gesellschaft enthalten sein. Zugleich lag darin eine Nüchternheit, die vielleicht weder dem Jungen noch dem Vorstand des Konzerns bewußt war. Der Wachmann würdigte den, der diese Mütze trug, seine Maske, die austauschbar war – absolut – und die die einzige Möglichkeit eines Freiraums barg, genau dieser Maske bar zu sein.

Die Rollen nicht weiter spielen, als nötig, aber sie spielen. Sich ihrer darin entledigen.

Der Wachmann trat nochmals gegen den Ball. Die Sauberkeit seines Musters blieb unversehrt.

Spielt Eure Rollen, dachte er, tragt Eure Marken. Verbergt Euch darunter. Freut Euch mit Königen, Prinzessinnen, macht Eure Wetten mit den Fernsehgesichtern aus. Spendet für Biafra. Diskutiert, was die Seiten der Zeitungen schwärzt.

Kleidet Euch wie die Damen und Herren, die Euch Masken verleihen, formt geschwungene Parolen auf Eure Zungen, verleumdet Euch, seid Ihr selbst, geht, kauft Euch Gedanken zur Tarnung, habt Mitleid mit Mariah Carey...

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