Ich war eingeladen von der Uniklinik Köln. Er hatte seinen Körper der Anatomie gespendet, was ihm sehr wichtig war. Eigentlich hatte ich mit vielleicht 30-40 Leuten gerechnet, die zur Veranstaltung kommen würden, aber die Kirche, ein Bau von Gottfried Böhm, unweit der Klinik, in der er gestorben war, war voll: Nicht nur die Angehörigen der — falls B. richtig geschätzt hatte — etwa 90 Körperspender waren gekommen, auch Dozent*innen, Student*innen: die in den letzten Monaten vielleicht seinen Körper vor sich liegen gehabt hatten, um ihn zu studieren, und jetzt, während die Namen der Spender verlesen wurden, Kerzen nach vorne trugen.
Ein Baby ließ brabbelnd von sich hören. Wie er das geliebt hätte.
Wie er die jungen Leute geliebt hätte, die vorsichtig ihre Kerzen abstellten.
Karotisdreieck, Faszie des Rumpfes, Atlas, Urethra, Abdomen. Musculus longissimus, Darmbein, Zitzenfortsatz, Arteria meridiana. Metacarpophalangealgelenk, Pfannenlippe, Processus accessorius, Intercostalraum. Glandula pituitaria, Türkensattel. Motorische Endplatte, Anoderm, Schulterblattgelenkpfanne, Musculus psoas major, Muskelspindel. Nervus medianus, Golgi-Sehnenorgan. Labrum genoidale, Arcus plantaius profundus. Arteria saphena. Schambeinfuge, Sakralwirbel, Axis, Spinalnerv. Linea alba.
Als sein Name verlesen wurde, hatte ich wieder seinen zweiten Vornamen nicht verstanden. Vielleicht hätte er den Ursprung meines Kinderspitznamens gewußt, ich hatte es nicht mehr geschafft, ihn zu fragen.
Vielleicht hätte ihm die völlig verstimmte Orgel gefallen: Dvorak, Neue Welt.
Nicht von der Zukunft träumen oder Nachruhm. Davon träumen, irgendwas zu erhalten, zu retten: Wissen, Rationalität, solidarische Strukturen. Und träumen: von der Möglichkeit eines freundlichen Blicks.