[Über den Beryll]

[] edmond — Le XII Frimaire de l'an CCXXXII



Anfang des Jahres 1454 erbitten die Mönche erstmals den Beryll, «damit wir in der ‹Belehrten Unwissenheit› und sonst das klar sehen können, was vielen dunkel erscheint, insbesondere über den Zusammenfall der Gegensätz, den unendlichen Kreis und derartiges» […] Am 12. Februar antwortet Cusanus (Brief 9, S. 122): «…wegen meiner schmerzhaften Augen konnte ich den gewünschten Beryll noch nicht schreiben.»

[Vorwort zu Nicolai de Cusa, Lateinisch — Deutsch, hg. Karl Bormann, S. VIII]

Das lateinische beryllus wurde im Mittelalter als Oberbegriff für alle klaren Kristalle bzw. Edelsteine gebraucht. Über mittelhochdeutsch berillus und berille entstand das Wort Brille („Augengläser“), da die ersten Linsen aus Kristall geschliffen wurden. Der feminine Singular die Brille beruht auf einer späteren Umdeutung der Pluralform die b[e]rille (Singular der b[e]rille = einzelnes Augenglas), nachdem zwei Augengläser üblich geworden waren. Aus dem lateinischen beryllus leitet sich auch italienisch brillare ‚glänzen, strahlen‘ ab – und daraus französisch briller, dessen Partizip brillant ‚glänzend, strahlend‘ den deutschen Fremdwörtern Brillant (ein speziell geschliffener Diamant) und Brillanz zugrunde liegt.

[Wikipedia]

«Der Bote bat um die Sammlung Über den Beryll und um die Lösung bestimmter Zweifel. Ich habe das Werk noch nicht vollendet…» In einem zweiten Brief vom 16. August 1454 (Brief 22, S. 140) heißt es: «Die Schrift Über den Beryll habe ich noch nicht vollendet, sie bedarf nämlich einer längeren Auslegung, damit der Weg auch mit den Worten der anderen klar wird…»



Im Sommer 1464 wurde Nikolaus im Rahmen des von Pius II. betriebenen Kreuzzugsprojekts gegen die Türken beauftragt, sich um eine Schar von 5000 mittellosen und zum Teil erkrankten Kreuzfahrern zu kümmern, die bei Ancona warteten, von wo die Flotte in See stechen sollte. Bei der Besichtigung des Heerlagers muss er sich mit der Ruhr infiziert haben.



Weil es den Mönchen ‹an Vernunft und Wissen fehlt…, bedürfen sie eines Berylls zur Benützung, freilich nicht eines beliebigen, sondern eines einzigartigen›» Cusanus entschuldigt sich (Brief 16, S. 134) am 18. März 1454: «Diese Tätigkeit, die mich ganz in Anspruch nimmt, macht mir das Philosophieren jetzt unmöglich… Wenn wir zusammenkommen, wollen wir das herausgreifen, was ihr in meinen Schriften klarer und ausgefeilter haben wollt…»

Die Erde kann nicht Weltzentrum sein. Sie kann also auch nicht ohne jede Bewegung sein.

Im Juli 1455 (Brief 33, S. 158) fragt Bernhard von Waging nach dem Beryll: «Ich habe ein Augenleiden, und mir fehlt der Beryll.» Die Antwort des Cusanus lautet (Brief 34, S. 160, geschrieben am 28. Juli 1455): «Ich habe mir Mühe gegeben mit dem Werk, das ihr verlangt. Es ist mir nicht möglich, mich zu sammeln und weiterzukommen…»


In zwei Briefen bitten die Mönche kurz darauf erneut um den Beryll.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Beryll ebenfalls in die Abteilung der „Ringsilikate“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der Struktur der Silikatringe, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „[Si6O18]12− Sechser-Einfachringe ohne inselartige, komplexe Anionen“ zu finden ist, wo es ebenfalls namensgebend die „Beryllgruppe“ mit der System-Nr. 9.CJ.05 und den weiteren Mitgliedern Bazzit, Indialith, Pezzottait und Stoppaniit bildet.


Nikolaus starb am 11. August in Todi.

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[] edmond — Le XIII Vendémiaire de l'an CCXXXII

Liebes Tagebuch. Hin und wieder fällt mir die Antifaschistische Sprayschablone in die Hände, die vor der Polizei auf einer harmlosen, während des Corona-Lockdowns unangemeldeten Demo gerettet wurde, auf der ich gemächlicher Sesselrevolutionär überhaupt nicht war. Ich verwalte Symbole und Erinnerungen.

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[] edmond — Le III Messidor de l'an CCXXXII

Doch ungelöst bleibt die Frage, wie die Verdrängung überhaupt erst aufzubrechen wäre, um mit irgendeinem Programm durchzudringen.

Lasse Thiele: Ist das schon der Klima-Faschismus?

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[] edmond — Le V Prairial de l'an CCXXXII

Erster Urlaubstag. In einer Kölner Postille lesen, wie Pierre Littbarski «zum Rundumschlag gegen die Verantwortlichen des 1. FC Köln» ausholt. Erinnerung an einen Kinderfreund aus Bad Neuenahr & intensiven Kölnfan, der Bettwäsche mit Fußballmotiven und Poster von Spielern mit Minipli an der Wand hängen hatte. Zur Kinderfreundschaft gehörte, dass wir komplett verschieden waren und diese Hürde bezwingen mussten: Sein für mich exotisches Interesse am Fußball, mein für ihn exotisches Nicht-Interesse. Und sein für mich, dem dialekt- aber nicht idiomfreien Dortmunder Kind & Enkelkind seiner Nachbarn, krasser rheinischer Akzent.

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[] edmond — Le VI Germinal de l'an CCXXXII

Junge Lehrerinnen, Kosmetikerinnen und Historiker erinnern sich, wie sie mich früher gezwungen hätten, ganze Sommer lang mit ihnen «Hotel» zu spielen, und ich frage mich, wieviel Zeit vergangen ist, seit ich zu Bett ging.

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[] edmond — Le XIII Ventôse de l'an CCXXXII

When Paul Bley was working with Sonny Rollins, Sonny would come to the house sometimes and just be talking to Paul Bley. And once he came to the house, and he brought a huge bag of fruit. And he handed it to me, and he said, wash the fruit. I said, okay, and I washed all the fruit. I didn’t really take it too bad. I thought, well, it’s a chance to help out. I didn’t have anything to say, at least I could wash the fruit. About 10 years later, he apologize to me for the fruit. He says, Lucille now tells me that that’s not the right way to treat a woman. I shouldn’t have asked you to wash the fruit. I said, man, that was a small thing, I didn’t take it badly at all. I was glad to help. But thank you for apologizing. So he turned out to be a very friendly guy in a way that he wasn’t when he was younger, and I’ll bet now he’s ultra friendly.

Interview mit Carla Bley

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[] edmond — Le XXVII Pluviôse de l'an CCXXXII

Ich war eingeladen von der Uniklinik Köln. Er hatte seinen Körper der Anatomie gespendet, was ihm sehr wichtig war. Eigentlich hatte ich mit vielleicht 30-40 Leuten gerechnet, die zur Veranstaltung kommen würden, aber die Kirche, ein Bau von Gottfried Böhm, unweit der Klinik, in der er gestorben war, war voll: Nicht nur die Angehörigen der — falls B. richtig geschätzt hatte — etwa 90 Körperspender waren gekommen, auch Dozent*innen, Student*innen: die in den letzten Monaten vielleicht seinen Körper vor sich liegen gehabt hatten, um ihn zu studieren, und jetzt, während die Namen der Spender verlesen wurden, Kerzen nach vorne trugen.

Ein Baby ließ brabbelnd von sich hören. Wie er das geliebt hätte.
Wie er die jungen Leute geliebt hätte, die vorsichtig ihre Kerzen abstellten.

Karotisdreieck, Faszie des Rumpfes, Atlas, Urethra, Abdomen. Musculus longissimus, Darmbein, Zitzenfortsatz, Arteria meridiana. Metacarpophalangealgelenk, Pfannenlippe, Processus accessorius, Intercostalraum. Glandula pituitaria, Türkensattel. Motorische Endplatte, Anoderm, Schulterblattgelenkpfanne, Musculus psoas major, Muskelspindel. Nervus medianus, Golgi-Sehnenorgan. Labrum genoidale, Arcus plantaius profundus. Arteria saphena. Schambeinfuge, Sakralwirbel, Axis, Spinalnerv. Linea alba.

Als sein Name verlesen wurde, hatte ich wieder seinen zweiten Vornamen nicht verstanden. Vielleicht hätte er den Ursprung meines Kinderspitznamens gewußt, ich hatte es nicht mehr geschafft, ihn zu fragen.

Vielleicht hätte ihm die völlig verstimmte Orgel gefallen: Dvorak, Neue Welt.

Nicht von der Zukunft träumen oder Nachruhm. Davon träumen, irgendwas zu erhalten, zu retten: Wissen, Rationalität, solidarische Strukturen. Und träumen: von der Möglichkeit eines freundlichen Blicks.

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[] edmond — Le XXVII Pluviôse de l'an CCXXXII

Eine Gruppe von sechs jungen Männern in der S-Bahn, alle sechs mit Schnäuzer und derselben Frisur: etwa bis einen Zentimeter über dem Ohr kurzrasiert, darüber die Haare wie ein genauer Helm, gegelt & außerordentlich exakt an der Seite gescheitelt. Als der obdachlose Rollstuhlfahrer durch die Bahn fährt, beginnen sie alle in ihrem Portemonnaies zu kramen, und als sie aussteigen und vom Bahnsteig die Treppe hinabgehen, rückt einer der Hinteren einem der Vorderen ein paar Haare zurecht, die diesem über dem Scheitel durcheinandergekommen waren.

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[] edmond — Le XXV Pluviôse de l'an CCXXXII


Advice for the Beginner

[…] You should feel free to skip lightly over, or «read for culture», explanatory material which seems difficult, or which uses ideas of which you have not yet heard. Perhaps when you do hear of them — and you will, as they come from the mainstream — you will feel a sense of recognition, knowing that they have something to do with this subject. I have taken some pains to make a thread of theorems and definitions that are stated without reference to these more obscure passages. You should thing of them as something to return to when more of the pieces in the vast puzzle of mathematics have fallen into place for you.

[David Eisenbud, Commutative Algebra with a View Toward Algebraic Geometry, NYC et. al.: Springer 1994]

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[] edmond — Le XIX Pluviôse de l'an CCXXXII

[Auch das ist Karneval in Köln: In einer dunklen verregneten Nebenstraße an einer Garage mit hochgeschobenem Tor vorbeikommen, in der Licht ist: Vier Leute, die um einen Tisch herumsitzen und gemeinsam eine Zigarette rauchen.]

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[] edmond — Le XIII Pluviôse de l'an CCXXXII

Der DAX zeigt zur Wochenmitte weiterhin Respekt vor seinem Allzeithoch. | Fed drückt DAX ins Minus | Enttäuschte Zinshoffnungen belasten den DAX | DAX entfernt sich weiter vom Rekordhoch | Dem DAX fehlt die Kraft | Fällt heute das Rekordhoch im DAX? | DAX-Anleger trauen sich nicht | Der DAX pirscht sich zum Wochenschluss bis auf wenige Punkte an seine Bestmarke heran. | DAX erreicht neues Rekordhoch von 17.004 Punkten | DAX notiert so hoch wie nie zuvor | DAX-Gewinne bröckeln wieder ab

Tagesschau 31.01.2024 – 02.02.2024

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[] edmond — Le XII Pluviôse de l'an CCXXXII

[Groschenhefte, Philosophie, Fotografie. Mathematik, Poesie. Und die wortfreien Flächen irgendeines Minimalisten.]

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[] edmond — Le XXIV Thermidor de l'an CCXXXI

[Später Feierabend, alles schon dunkel. Ein Liebespaar im gottverlassenen Gewerbegebiet, das auf ein Trafohäuschen klettert und tanzt.]

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[] edmond — Le VII Thermidor de l'an CCXXXI

[Kris Kristoffersen hatte sie auf der Bühne in den Arm genommen, um sie vor dem bigotten Scheisspublikum zu schützen, dass gegen sie tobte. | In ihrer Jugend sei sie wegen Ladendiebstahls in ein Heim geschoben worden, lese ich; und ich denke an die junge Frau am Bahnhof gerade eben, die von drei Polizist:innen in Handschellen abgeführt wurde.]

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[] edmond — Le IV Thermidor de l'an CCXXXI

Ernest Borgnine: «I went to work the first day and as luck would have it, my first scene was with Frank Sinatra and I’m dying inside, because here was the man who sang ‹Nancy› (I named my daughter because of that song). My idol, my everything. I loved him in everything he ever did. And I said, ‹How can I, a mere nothing, come on here?›… but I knew I had to play this part as the meanest s.o.b. that ever existed, otherwise the part won’t play. So I was out there pounding the piano and everything else, and we started this scene. I’m looking around and I see Frank Sinatra dancing with this girl. And I see Montgomery Clift over with somebody else. And over standing on the side were Deborah Kerr and Burt Lancaster talking to Fred Zinnemans. I was just engulfed with stars. And I’m just shaking, you know. And Fred suddenly looked up and said, ‹Okay, begin the scene!› So we started. I’m playing the piano and it came to the point where Frank says, ‹Come on, why don’t you stop this banging on the piano, will ya? Give us a chance with our music.› And I stood up to say my first line. I said, ‹Listen, you little wop.› He looked up at me, and as he looked up at me, he broke out into a smile and he said, ‹My God, he’s ten feet tall!› Do you know, the whole thing just collapsed. His laughter broke the tension. It was so marvelous. I’ve never forgotten Frank for that. He was the most wonderful guy to work with that you ever saw in your life. He knew how I must have felt, you know. And because of it, he took the time to break that tension. That’s something that I have done with everybody that I’ve ever worked with since. I break the ice for the other people. And I think it’s nice, because it reverberated all down the line.»

[via fb, Quelle wahrscheinlich aber die Autobiografie von Ernest Borgnine — Ich mag an dem Zitat, dass es zeigt, wieviel Anteil die Schauspieler am tatsächlichen Film haben, wie auch sie mit dem Regisseur gemeinsam Regie führen.]

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[] edmond — Le XIX Messidor de l'an CCXXXI

[Idee für einen Film: Jemand blättert in der Bedienungsanleitung seines neuen Taschenrechners — eines alten Modells — bis zu der Seite, auf der die Kundendienste für den Garantiefall gelistet sind. Panama, USA, Angola, Swaziland, Singapore, St. Vincent. Er hat ein Problem mit dem Rechner und ruft zum Beispiel die Nummer aus Trinidad und Tobago an. Dort entwickelt sich ein sehr kompliziertes Gespräch, mit Hintergrundgeräuschen (Kinder, Autos, Feuerwehrsirenen), das zu keiner Lösung führt. Als nächstes versucht er den Kundendienst von Martinique. Dann den des Vereinigten Königreichs. Die einen sind hilfreich, die anderen abweisend. Einige versprechen ihm, dem Problem nachzugehen, denn es müsse eine Lösung geben, sie legen auf und rufen ihre Kolleginnen und Kollegen in Costa Rica, Deutschland, Cayman Inseln an. In Neu Seeland hat man ein Vorgängermodell dieses Taschenrechners und blättert in der dazugehörigen Anleitung, wo einige längst vergessene Kundendienste in Mauritius, Guadeloupe, Kanada, Buthan von Rentnern besetzt sind, die ihre Arbeit geduldig fortführen. In Hong Kong nimmt ein Kind einen Taschenrechner des gesuchten Modells auseinander und blickt die Kleinteile staunend an. Der Film wird kein Ende haben, die Zuschauer in Frankreich, Libanon, Russland, Seychellen werden sich Kaffee aufbrühen und über das ungelöste Problem dieses Taschenrechners nachdenken, den Kopf an die Schultern ihrer Begleitungen lehnen oder einsam und müde die Hand über die Augen halten, mit teils abschweifenden Träumen.]

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