Alles ist eitel. Es gibt nichts Gutes im Bösen. Die Worte sind korrumpiert, und nichts, das sich dem entziehen könnte. An die Stelle der ersten Natur, heißt es, jener wahren, natürlichen, wilden Natur, sei eine zweite Natur getreten, in welcher das Artefakt der Stadt von jenem der Landschaft nicht getrennt werden könne.
I. Benennung der Natur
Das Einfachste wäre, man spräche vom BAUM. Doch mit solcherlei Begriffen gerät man rasch an den Punkt, wo ein BAUM nichts mehr besagt. Das Wort erscheint als ein Platzhalter, der sich in den Satz fügt, ohne ihn zu belasten. Die Sprache scheint zu kompliziert für solch einen BAUM, überdies sieht ein Text, in welchem immerfort vom BAUM die Rede ist, nicht sonderlich gut aus.
Es können zu viele disparat verschiedene Dinge gemeint sein: der Baum freier Wildnis ist nicht der Baum einer Stadt oder der Bonsai eines Balkons. Es bleibt der Eindruck, dass in der Bedienung dieses konturlosen Worts eine wichtige Schwelle, von der aus die Wahrnehmung der Dinge überhaupt erst beginnt, ausgeschlagen wurde.
Lassen Sie mich übertreiben: ich habe die Möglichkeit, ihn als AHORN zu bezeichnen. Ich schreibe ein Kinderbuch und sage, Kinder, das ist ein Ahorn. Für Kinder mag das angehen. Wenn die Kinder schreiben lernen, beginnen sie, Gedichte zu verfassen mit dem Titel „Mein Freund, der Ahorn“. Wenn sie größer werden, haben sie von Castorbehältern gehört, lesen sozialkritische Jugendliteratur ("Die Welle", "Rolltreppe abwärts", "Empire") und laden den Ahorn politisch auf: „Dem Ahorn geht es gut, wie geht es den Regenwäldern?“. AHORN eignet sich nur bedingt zur Bezeichnung eines Baumes.
Will man die Erkenntnis hieraus anwenden, ohne in irgendeine Form von Sozialkitsch zu fallen (das würde die Sprachspiele der Gesellschaft ebenso bestätigen wie der AHORN das Lächeln betulicher Jungfern), muß man sich zuerst aller Vertraulichkeit entheben, die den AHORN, den immer Raschelnden, zu meinem Freund macht.
Mit einer strikteren Diktion: SPITZAHORN zum Beispiel, acer platanoides, käme niemand mehr auf die Idee zu schreiben, „Mein Freund, der SPITZAHORN“. „Dem ACER PLATANOIDES geht es gut, wie geht es den SELVAE PLUVIALES?“ Mit der Freundschaft ist es damit vorbei.