POESIE UND ALITALIA

Meine Vorstellung von Poesie ist wahrscheinlich eine resignative. Doch ist eine solche Resignation, die wie eine hegelsche Geschichtsepoche ihr eigenes Ende in sich trägt, keine fatalistische. Sie besteht im freimütigen Anerkennen der Sinnlosigkeit, im Fortwerfen unnötiger Ballaste, damit in einem Neuanfang.

Mein Bruder und ich brachten einen Freund zum Flughafen. Seine Eltern begleiteten uns; als er hinter den Schranken verschwand, hofften sie, auf der Besucherterrasse noch etwas von ihm sehen zu können. Gleichgültig, wie illusorisch dies war: wir passierten eine Kabine, in der ein Beamter Eintritt verlangte. Der schüchterne Vater fragte erstaunt: Zwei Mark fünfzig für nur zwei Minuten? Ach was. — Wir gingen einfach an dem Beamten vorbei.

Ich beugte mich über die Brüstung und schaute auf einen Bus, aus welchem die geladenen Passagiere ausstiegen: wie herbstliche Blätter fielen Geschäftsleute heraus, mit flatternden Krawatten, in dunklen Farben.
Dann etwas, was veranschaulichen könnte, was ich oben meinte: während in diesiger Ferne Flugzeuge über die Bahnen rollten und sich die Vorstellung, irgendeinen Passagier noch erkennen zu können, bereits erledigt hatte, stand ein großer, bullig gewachsener Mann am Geländer, ein Italiener mit einem bunten Strickpullover und einer 'Repubblica' unter dem Arm, der mir auf Anhieb sympathisch war, weil er, offenbar zärtlich veranlagt, in ein Stofftaschentuch schluchzte, während er die 'Alitalia' davongleiten sah. Dass er jenes abstrakte Bild der winzigen Maschinen und Lichter noch in Verbindung mit den in ihnen Sitzenden brachte, dass ihn diese linierte Weite traurig machte, ist Poesie.

Logfiles Zurück Weiter Goncourt's Flucht nach draußen

SUNGLASSES

Der Unterschied zwischen der Anonymität eines Schauspielers und der eines anderen im Produktionsprozess eines Films, sagen wir, eines Kostümbildners, eines Beleuchters, eines Dekorateurs, besteht nicht zufällig darin, dass ersterer von einem deutlichen Namen, der ihn ersetzt, verdeckt wird.

Während Schauspieler wie Dekorateur damit beschäftigt sind, den Blick des Zuschauers auf die Geschichte hin- und, darunter, von der physischen Realität des Gezeigten abzuwenden, tut der Schauspieler dies in ungeschützter Form, indem er sich als Projektionswand zur Verfügung stellt.

Der Dekorateur, der Kostümbildner, der Kameramann, der Beleuchter geben ihm und den Dingen die Kleider, die das Bild strukturieren, sie 'entbeinen' das Bild seiner Gerüste, mithin seines Leibs. Der Dekorateur, der Kameramann, der Beleuchter bleiben auch im Anonymen Schöpfer, graue Eminenzen, die die Spuren zu sich verwischt haben; der Schauspieler dagegen versucht, mit der Überheblichkeit eines Stars die Wunden zu kaschieren, die der Zuschauer ihm geschlagen hat. Es gilt, dem Blick standzuhalten, der ihn zu den Kleidern schlägt, den Kleidern standzuhalten.