DIE MASKE DES MIMEN
«Doktor, ich glaube ich sterbe. Aber ich weiß es nicht genau.»
Charles Chaplin als Calvero in LimeLights
Der Blick Calveros in «Limelights», das Lächeln zur Seite, als
er erfährt, dass er ausgebootet worden ist: er bemüht sich nicht
mit Witzen um sein Publikum.
Chaplin ist und ist nicht Calvero, den er sich als Maske aufsetzt. Wenn er
mit Buster Keaton auf der Bühne steht - der ihm ebenbürtig ist und
einsamer in seinen letzten Jahren - scheint die Filmgeschichte sich selbst zu
schreiben. Die Clowns tragen ihre Masken in klassischer Weise: vor sich, in
der Hand, jeder Zeit fähig, sie abzunehmen und gegen sich zu kehren.
Man erinnere sich an Anna Karina in «Vivre sa vie»: sie sitzt im
Kino und bestrahlt das Gesicht der Jeanne d'Arc von Dreyer, das genauso chiffrenhaft
ist wie ihr eigenes: zwei Ovale, das eine aus dem Kinogestühl aufschauend,
das andere herabblickend von der Leinwand. Die Szene dauert einige Momente,
das Bild wechselt von einer Seite zur andern, um das Verstreichen der Sekunden
gleichzeitig spürbar und nichtig werden zu lassen.
Es werden die Gesichter der Karina, der Jeanne d'Arc nie wiederkehren, es werden
dies auch nicht die Blicke von Chaplin und Keaton, alt und souverän geworden;
es scheint, als hätte die Kamera ihnen die Chance dazu geraubt - man wird
den Verlust datieren können.
Das Gesicht hat geschlossen. Von hier aus gibt es nur noch Zeit.
SUNGLASSES
Der Unterschied zwischen der Anonymität
eines Schauspielers und der eines anderen im Produktionsprozess eines Films,
sagen wir, eines Kostümbildners, eines Beleuchters, eines Dekorateurs,
besteht nicht zufällig darin, dass ersterer von einem deutlichen Namen,
der ihn ersetzt, verdeckt wird.
Während Schauspieler wie Dekorateur damit beschäftigt
sind, den Blick des Zuschauers auf die Geschichte hin- und, darunter, von der
physischen Realität des Gezeigten abzuwenden, tut der Schauspieler dies
in ungeschützter Form, indem er sich als Projektionswand zur Verfügung
stellt.
Der Dekorateur, der Kostümbildner, der Kameramann, der Beleuchter geben
ihm und den Dingen die Kleider, die das Bild strukturieren, sie 'entbeinen'
das Bild seiner Gerüste, mithin seines Leibs. Der Dekorateur, der Kameramann,
der Beleuchter bleiben auch im Anonymen Schöpfer, graue Eminenzen, die
die Spuren zu sich verwischt haben; der Schauspieler dagegen versucht, mit der
Überheblichkeit eines Stars die Wunden
zu kaschieren, die der Zuschauer ihm geschlagen hat. Es gilt, dem Blick standzuhalten,
der ihn zu den Kleidern schlägt, den Kleidern standzuhalten.