UNSERE KRIEGE I

EDMOND
Vermißt Du den Fernseher, Jules?

JULES
Kaum. Warum fragst Du?

EDMOND
Als wir heute unsere Mutter im Krankenhaus besuchten, lief in ihrem Zimmer der Fernseher, dicht unter der Decke, so gewinkelt, daß der Patient, der im Bett liegt, bequem hinaufschauen kann und ohne Schwierigkeiten alles mitbekommt.

JULES
Und das wünschst Du Dir?

EDMOND
Warte. Ich bin noch nicht fertig. Während Ihr miteinander spracht, blickte ich unwillkürlich immer wieder hinauf. Es lief eine Nachrichtensendung, die Bilder aus dem Krieg lieferte. Drei japanische Zivilisten, die als Geiseln festgehalten wurden. Eine Hand, von der man nicht sah, zu wem sie gehörte, packte den einen von ihnen am Hinterkopf, jemand hielt dem jungen Mann, der zu Tode erschrocken war, einen Säbel an den Hals. Einer jungen Frau daneben wurde ein Maschinengewehr an die Schläfen gedrückt. Alles ganz so, als würde ernst gemacht. Dabei fuchtelten die Hände des Unsichtbaren mit den Waffen, als handele es sich um ein Spiel.

JULES
Du hast mich gefragt, ob ich den Fernseher vermisse?

EDMOND
Die ganzen vergangen Tage haben wir von dem, was dort geschah, nur dessen Schlagzeilen mitbekommen.

JULES
Und das reichte uns schon.

EDMOND
Wir gönnten der Berichterstattung nicht mehr als fünf knappe Minuten aus dem Radio.

JULES
Auch Du warst dafür.

EDMOND
Ja.

JULES
Nun?

EDMOND
Ich habe mich heute den Geiseln nah gefühlt.

JULES
Ja.

EDMOND
Was „Ja"?

JULES
Du gibst den Bildern einen Sinn?

EDMOND
Ich weiß. Es sind zynische Bilder. All das ist zynisch. Aber Du wirst nicht abstreiten wollen, daß diese Bilder uns aus unserer Distanz herausgerissen haben. Denn auch Du hast unwillkürlich hingeschaut. Du bist blass geworden.

JULES
Aber, Edmond ...

EDMOND
Was?

JULES
Weißt Du, was mir am allerwenigsten gefällt?

EDMOND
Nun?

JULES
Daß diese Bilder so nie gedreht worden wären, gäbe es diese Berichterstattung nicht. Vielleicht wäre nie derart mit der Todesangst dieser Menschen gespielt worden. Ich habe mich schuldig gefühlt.

EDMOND
Ich habe mich auch schuldig gefühlt, Jules.

Logfiles Zurück Weiter Goncourt's Flucht nach draußen

SUNGLASSES

Der Unterschied zwischen der Anonymität eines Schauspielers und der eines anderen im Produktionsprozess eines Films, sagen wir, eines Kostümbildners, eines Beleuchters, eines Dekorateurs, besteht nicht zufällig darin, dass ersterer von einem deutlichen Namen, der ihn ersetzt, verdeckt wird.

Während Schauspieler wie Dekorateur damit beschäftigt sind, den Blick des Zuschauers auf die Geschichte hin- und, darunter, von der physischen Realität des Gezeigten abzuwenden, tut der Schauspieler dies in ungeschützter Form, indem er sich als Projektionswand zur Verfügung stellt.

Der Dekorateur, der Kostümbildner, der Kameramann, der Beleuchter geben ihm und den Dingen die Kleider, die das Bild strukturieren, sie 'entbeinen' das Bild seiner Gerüste, mithin seines Leibs. Der Dekorateur, der Kameramann, der Beleuchter bleiben auch im Anonymen Schöpfer, graue Eminenzen, die die Spuren zu sich verwischt haben; der Schauspieler dagegen versucht, mit der Überheblichkeit eines Stars die Wunden zu kaschieren, die der Zuschauer ihm geschlagen hat. Es gilt, dem Blick standzuhalten, der ihn zu den Kleidern schlägt, den Kleidern standzuhalten.