BILDER
Eine Frau, Mitte 40, ein wenig üppig, die mit pfennigschmalen Absätzen über
eine Eisscholle stakst und zögernd nach dem Weg fragt.
Ein unsichtbares Kind, das über die Sprechanlage seiner Haustür
einen türkischen Gebetsruf nachahmt, füllend die Akustik einer aufgeräumten
Straße.
Der desolate Prediger in der Fußgängerzone, gekleidet mit einem
Jute-Poncho, den er sich selbst zurechtgeschnitten hat, mit verdreckten Hosen
und verwilderten Bart. Und mit einem Schild, das er über die Menge hielt:
Egoisten betrügen uns seit 1620 Jahren.
Das seltsame Paar hinter mir im Café, das nach einer kurzen Zeit lautstark
sich zu zanken begann, bald aufsprang und Teller zerbrach. Als ich mich umdrehte,
Scheinwerfer auf mich gerichtet, Kameras, Schauspieler.
Das junge indische Mädchen im leuchtend roten Festkleid,
das auf einem Kickboard über den Nordmarkt führt.
Der Müllmann, an dem wir vorbeikommen, der gelassen Staubwolken mit einem
Besen beiseitekehrt; der delikate Duft des Parfums, das er sich aufgetragen
haben mag, ehe er in seine Kluft gestiegen war.
Die Weichheit einer Fassade, die wir immer wieder wahrnehmen, die scharfe
Deutlichkeit der Kabel zwischen dieser Seite und jener gegenüber.
SUNGLASSES
Der Unterschied zwischen der Anonymität
eines Schauspielers und der eines anderen im Produktionsprozess eines Films,
sagen wir, eines Kostümbildners, eines Beleuchters, eines Dekorateurs,
besteht nicht zufällig darin, dass ersterer von einem deutlichen Namen,
der ihn ersetzt, verdeckt wird.
Während Schauspieler wie Dekorateur damit beschäftigt
sind, den Blick des Zuschauers auf die Geschichte hin- und, darunter, von der
physischen Realität des Gezeigten abzuwenden, tut der Schauspieler dies
in ungeschützter Form, indem er sich als Projektionswand zur Verfügung
stellt.
Der Dekorateur, der Kostümbildner, der Kameramann, der Beleuchter geben
ihm und den Dingen die Kleider, die das Bild strukturieren, sie 'entbeinen'
das Bild seiner Gerüste, mithin seines Leibs. Der Dekorateur, der Kameramann,
der Beleuchter bleiben auch im Anonymen Schöpfer, graue Eminenzen, die
die Spuren zu sich verwischt haben; der Schauspieler dagegen versucht, mit der
Überheblichkeit eines Stars die Wunden
zu kaschieren, die der Zuschauer ihm geschlagen hat. Es gilt, dem Blick standzuhalten,
der ihn zu den Kleidern schlägt, den Kleidern standzuhalten.