BILDER

Eine Frau, Mitte 40, ein wenig üppig, die mit pfennigschmalen Absätzen über eine Eisscholle stakst und zögernd nach dem Weg fragt.

Ein unsichtbares Kind, das über die Sprechanlage seiner Haustür einen türkischen Gebetsruf nachahmt, füllend die Akustik einer aufgeräumten Straße.

Der desolate Prediger in der Fußgängerzone, gekleidet mit einem Jute-Poncho, den er sich selbst zurechtgeschnitten hat, mit verdreckten Hosen und verwilderten Bart. Und mit einem Schild, das er über die Menge hielt: Egoisten betrügen uns seit 1620 Jahren.

Das seltsame Paar hinter mir im Café, das nach einer kurzen Zeit lautstark sich zu zanken begann, bald aufsprang und Teller zerbrach. Als ich mich umdrehte, Scheinwerfer auf mich gerichtet, Kameras, Schauspieler.

Das junge indische Mädchen im leuchtend roten Festkleid, das auf einem Kickboard über den Nordmarkt führt.

Der Müllmann, an dem wir vorbeikommen, der gelassen Staubwolken mit einem Besen beiseitekehrt; der delikate Duft des Parfums, das er sich aufgetragen haben mag, ehe er in seine Kluft gestiegen war.

Die Weichheit einer Fassade, die wir immer wieder wahrnehmen, die scharfe Deutlichkeit der Kabel zwischen dieser Seite und jener gegenüber.

Logfiles Zurück Weiter Goncourt's Flucht nach draußen

DER SCHAUSPIELER SCHWEIGT

Ein Schauspieler, der in einem Film eine Rolle verkörpert, übt eine mitunter passive Kunst aus, die nur darin zu bestehen scheint, engagiert zu werden. Von Humphrey Bogart wird erzählt, er sei einmal gebeten worden, auf den Balkon zu gehen und sich eine Zigarette anzuzünden. Er tat dies; ein Bild von wenigen Sekunden, das Feuer flammte auf, erlosch.

Was der Schauspieler verkörpert, ist ein Schnittpunkt aus Produktionsbedingungen, aus Regieanweisungen, Kostüm, unbedeutenden, knappen Sätzen und schlichten Vorgaben, die ihm die Selbstständigkeit seines 'Werks' absprechen könnten, würde man dieses 'Werk' im herkömmlichen Sinn verstehen. Er fügt sich einem übermächtigen Kollektiv und hat nichts als seinen Körper, mit dem er sich zur Geltung bringen kann.

Es gibt Schauspieler, die genau darin, sich zu fügen, es schaffen, dem im Plakat angekündigten Film einen zweiten, stillen, geheimen Film zu unterlegen, der als eigentliche Erinnerung in den Köpfen der Zuschauer präsent bleibt, und in welchem sie Regie führen. Vollendete Relativität: Maßstab ist, wer sich als Subjekt begreift. Als Subjekt sich zu begreifen in einem Arbeitsprozeß, der ihn nur als Objekt will – als Schnittstelle für ein dünnes Drehbuch, als bloßes Gesicht, auf das ein Regisseur seine Meriten einschreiben kann – erfordert die Bereitschaft, den Widerspruch zu tragen, den passiven Status, zu dem man verdammt ist, zum eigentlichen Kunstwerk zu gestalten: das Gesicht zu beherrschen, es in höchster Aufmerksamkeit still und schlicht zu halten, bis nichts mehr daraus gekürzt werden kann und jedes Dekor verblasst, es sei denn, man streicht es ganz.

Was verkörpert der Schauspieler? Er verkörpert die Autonomie: die des Körpers, die des Gesichts als einer nicht reduzierbaren Tatsache. Er bringt den wichtigsten Aspekt eines Films auf den Punkt: die physische Realität einer Produktion, ohne die die Fiktion des Filmes nicht möglich ist.