VERSUCH ÜBER
DIE VERLESUNG DES WETTERS

Die Wetternachrichten, die der Sprecher am Abend liest, behalten einen Tag, vielleicht eine Woche Geltung; in diesem Zeitraum erweist sich ihr Wert darin, ob sie sich erfüllen, ob sie das Abbildungsverhältnis zu einer noch nicht vollzogenen Witterung werden einhalten können, gemäß den Formeln, aus denen sie bestehen: ob die Formeln in ihrer Knappheit, ihrer rein technischen Unterordnung einem Geschehen beikommen, welches kosmische Ausmaße kennt - zumindest soweit dies dem pragmatischen Verhältnis des Publikums dazu entgegenkommt.

Je knapper, je unverwechselbarer die beschreibende Wendung, desto verifizierbarer wird sie, ohne der Illusion zu erliegen, es mit einer Wolke, einem Sturm, einer aufschlagenden Woge aufzunehmen. Chaos verrichtet das Wetter: die Sprache muß übersichtlich sein, muß sich beschränken, an einige Stellen Konturen zu setzen, an anderen zu lassen. Keine Wetternachricht, umgrenzt auf den Raum von fünf Minuten, hält es mit der Ewigkeit; warum also sollte sie sich nicht auf die geradlinigste Skizze beschränken, die die Weltläufte anstreift, wo sie sie benötigt.

Warum sollte sie impressionistische Umschreibungen zulassen, die die Zuschauer mit dem Wetter versöhnen - ist nicht das Wetter selbst schon kompliziert genug, als daß man es auf die Sprachspiele der Berufspendler, der Bauern, der Wanderburschen, der manisch-depressiven Morgenmagazin-Klientel reduzieren sollte?

Und warum sollte ich mich, unter der Klammer einer anstehenden Bö, vom Moderator besänftigen lassen: weshalb adressiert er seine Floskeln an mich mit dem Rest der Gesellschaft zusammen? Genügt das trostlose Dasein eines gelangweilten Wetterfroschs, eine Billigkraft mit derselben verschwörerischen Miene anzuzwinkern wie den Verwaltungsdirektor mit gleichem Paß? Genügt schon die bornierte Einfachheit einer Wolke, um die Brüche der Geschichte, der Gesellschaft, in den Klippen der Naturgewalt verklingen zu lassen?

Logfiles Zurück Weiter Goncourt's Flucht nach draußen

DER SCHAUSPIELER SCHWEIGT

Ein Schauspieler, der in einem Film eine Rolle verkörpert, übt eine mitunter passive Kunst aus, die nur darin zu bestehen scheint, engagiert zu werden. Von Humphrey Bogart wird erzählt, er sei einmal gebeten worden, auf den Balkon zu gehen und sich eine Zigarette anzuzünden. Er tat dies; ein Bild von wenigen Sekunden, das Feuer flammte auf, erlosch.

Was der Schauspieler verkörpert, ist ein Schnittpunkt aus Produktionsbedingungen, aus Regieanweisungen, Kostüm, unbedeutenden, knappen Sätzen und schlichten Vorgaben, die ihm die Selbstständigkeit seines 'Werks' absprechen könnten, würde man dieses 'Werk' im herkömmlichen Sinn verstehen. Er fügt sich einem übermächtigen Kollektiv und hat nichts als seinen Körper, mit dem er sich zur Geltung bringen kann.

Es gibt Schauspieler, die genau darin, sich zu fügen, es schaffen, dem im Plakat angekündigten Film einen zweiten, stillen, geheimen Film zu unterlegen, der als eigentliche Erinnerung in den Köpfen der Zuschauer präsent bleibt, und in welchem sie Regie führen. Vollendete Relativität: Maßstab ist, wer sich als Subjekt begreift. Als Subjekt sich zu begreifen in einem Arbeitsprozeß, der ihn nur als Objekt will – als Schnittstelle für ein dünnes Drehbuch, als bloßes Gesicht, auf das ein Regisseur seine Meriten einschreiben kann – erfordert die Bereitschaft, den Widerspruch zu tragen, den passiven Status, zu dem man verdammt ist, zum eigentlichen Kunstwerk zu gestalten: das Gesicht zu beherrschen, es in höchster Aufmerksamkeit still und schlicht zu halten, bis nichts mehr daraus gekürzt werden kann und jedes Dekor verblasst, es sei denn, man streicht es ganz.

Was verkörpert der Schauspieler? Er verkörpert die Autonomie: die des Körpers, die des Gesichts als einer nicht reduzierbaren Tatsache. Er bringt den wichtigsten Aspekt eines Films auf den Punkt: die physische Realität einer Produktion, ohne die die Fiktion des Filmes nicht möglich ist.