ZWEI WEGE

Es gibt zwei Wege, sich auf die Seite der Avantgarde zu schlagen.

Einer ist es, sich deren unverstandenen Formsprache als eines Privilegs zu bedienen, als Zeichen wohlgelittener Bildung.

Der andere, das Fremde dieser Sprache, das Fremde an sich, als eine Öffnung zu begreifen, die Beseitigung des kulturellen Privilegs als Durchbruch in der Mauer des Vertrauten, die zu erlernende Toleranz für das, was sich nicht integrieren lässt. Die demokratische Seite des Januskopfes, der sich zur anderen Seite, jener der kapitalistischen Wirklichkeit, repressiv, wenn nicht regressiv verhält

Es zeigt sich, dass das Erlernen der Demokratie, der Bereitschaft, auch das Disparateste eines offnen Blickes zu würdigen, solch Wagnis ist, dass ein gescheiterter Versuch schon bald im dunklen Rollkragen eines Galeristen verendet.

Wohl muß demokratische Kunst nicht allen gleich verständlich sein. Sie könnte allen gleich unverständlich sein: die Dekonstruktion eines unvorbereiteten Blicks (welch fruchtbare Utopie liegt in dieser Figur des unvorbereiteten Blicks), all die Ressentiments, die es gilt abzubauen, all die bürgerlichen Codes, die es gilt zu verhindern.

Die es zu verhindern gilt, bevor auf Schultafeln Fett mit Energie, Filz mit Wärme dechiffriert wird.

Logfiles Zurück Weiter Goncourt's Flucht nach draußen

DER SCHAUSPIELER SCHWEIGT

Ein Schauspieler, der in einem Film eine Rolle verkörpert, übt eine mitunter passive Kunst aus, die nur darin zu bestehen scheint, engagiert zu werden. Von Humphrey Bogart wird erzählt, er sei einmal gebeten worden, auf den Balkon zu gehen und sich eine Zigarette anzuzünden. Er tat dies; ein Bild von wenigen Sekunden, das Feuer flammte auf, erlosch.

Was der Schauspieler verkörpert, ist ein Schnittpunkt aus Produktionsbedingungen, aus Regieanweisungen, Kostüm, unbedeutenden, knappen Sätzen und schlichten Vorgaben, die ihm die Selbstständigkeit seines 'Werks' absprechen könnten, würde man dieses 'Werk' im herkömmlichen Sinn verstehen. Er fügt sich einem übermächtigen Kollektiv und hat nichts als seinen Körper, mit dem er sich zur Geltung bringen kann.

Es gibt Schauspieler, die genau darin, sich zu fügen, es schaffen, dem im Plakat angekündigten Film einen zweiten, stillen, geheimen Film zu unterlegen, der als eigentliche Erinnerung in den Köpfen der Zuschauer präsent bleibt, und in welchem sie Regie führen. Vollendete Relativität: Maßstab ist, wer sich als Subjekt begreift. Als Subjekt sich zu begreifen in einem Arbeitsprozeß, der ihn nur als Objekt will – als Schnittstelle für ein dünnes Drehbuch, als bloßes Gesicht, auf das ein Regisseur seine Meriten einschreiben kann – erfordert die Bereitschaft, den Widerspruch zu tragen, den passiven Status, zu dem man verdammt ist, zum eigentlichen Kunstwerk zu gestalten: das Gesicht zu beherrschen, es in höchster Aufmerksamkeit still und schlicht zu halten, bis nichts mehr daraus gekürzt werden kann und jedes Dekor verblasst, es sei denn, man streicht es ganz.

Was verkörpert der Schauspieler? Er verkörpert die Autonomie: die des Körpers, die des Gesichts als einer nicht reduzierbaren Tatsache. Er bringt den wichtigsten Aspekt eines Films auf den Punkt: die physische Realität einer Produktion, ohne die die Fiktion des Filmes nicht möglich ist.