MARVIN GAYE

Wie soll man beantworten, was an der Musik Marvin Gayes neu gewesen sei. Um ehrlich zu sein, haben wir uns nie in der Lage gesehen, etwas, das neu ist, wirklich abzuschätzen.

Vielleicht geht es schlicht um die Überlagerung der eigenen Stimme mit der eigenen Stimme. Vielleicht liegt eine Öffnung dieser Musik darin, das sie das Subjekt vervielfacht zwischen die Hauptlinien setzt, eine Tonspur verschoben zur anderen, ein Selbstgespräch eigentlich, am Ende ohne jedes Selbst.

Nur wird hier das, was ein Selbstgespräch ausmacht — dass es an einem singulären Punkt stattfindet, von wo aus die Stimme ins Leere greift — demontiert: der Selbstsprecher mag in einer weiten Halle sitzen und sein eigenes Echo hören: die Unerträglichkeit, sich auf einen Ort im Universum zu beschränken, wird entzogen durch die Verdopplung des Orts, der Grundlage beraubt, über einen Ort überhaupt zu verfügen.

Der Widerhall der eigenen Stimme mag das Gemurmel Anderer mit aufnehmen, die sich zufällig in der Halle befinden, den Anderen die Stimme überlassend.

Logfiles Zurück Weiter Goncourt's Flucht nach draußen

KONVENTIONEN

Man stelle sich einen Menschen in der Masse vor, der sich so gleichförmig in ihr bewegt, dass man in seiner Gegenwart den Eindruck hat, aus dem Zentrum der Masse verdrängt zu werden. Die eigentliche Konvention trägt ihre Dialektik in sich: in ihrer Vollendung, ihrer radikalen Verwechselbarkeit ist sie unverwechselbar. Man denke an Straßenbahnkontrolleure in Zivil: „so durchschnittlich, dass man sie nicht übersehen kann“ – was das heißt, weiß man, wenn man mit ihnen zu tun hat…

Die Masse Mensch dient bei Edgar Allen Poe und E.T.A. Hoffmann als Signum der Austauschbarkeit. Hoffmanns „Automate“ glänzt durch eine Reibungslosigkeit des Handelns, die als 'leblos' empfunden wird (wobei dieses Attribut oft an die Stelle von 'tot' tritt: es verweigert sich ebenso den POMPES FUNEBRES wie der Erkenntnis, dass, was tot ist, gelebt haben muß). Don Siegel’s „Body Snatcher's“ steht unter diesem Zeichen: die Menschen werden durch ihre geschliffensten Kopien ersetzt, und jene, die übrigbleiben, wissen das eigenartige Verhalten ihrer Freunde nicht recht zu beschreiben.

Nicht umsonst ist der Gangsterfilm ein geeignetes Spielfeld der Konvention, steht ihm doch hierfür die Metapher des tödlichen Schusses zur Verfügung: zum Gangster einer bestimmten Sorte Film gehört der graue Mantel, das Fehlen einer Identität, die Mechanik einer Geste und das Untertauchen in der Masse. Die kalkulierte 'Leblosigkeit' seines Verhaltens bedingt den Tod seines Opfers.

Was wäre nun, wenn man die Klischees beiseite ließe, auf eine Pointierung durch die Schusswaffe verzichtete und von der Darstellung der Konvention zu deren Verwirklichung überginge? Es hieße, die Konvention festzuschreiben, den Gangsterfilm seines Todes zu berauben.

Es hieße, einem Straßenbahnkontrolleur zu begegnen, dessen Anwesenheit deutlich zu spüren ist – wie die Des HErrn in den alten Schriften – ohne dass er jemandem die Karte abverlangte. Der Fahrgast stiege aus der Bahn, ein Stück lebloser als sonst, ohne dass er wüsste, warum.