SIGNALE

Abends nach langem Weg nachhaus zu kommen, kaum an Autos vorbei, an geschlossenen Läden, einer Videothek, deren Tür sich lautlos öffnet; verschwiegener, öder dann, je näher man der eigenen Wohnung ist, ein Park mit Laternen, weiter hinten Junks, die Hundewiese, über die ein kleiner Pinscher hechelnd herüberhetzt, weil er bellen will; ich bin schon fort.

Als ich, ohne Licht anzuschalten, die Wohnung betrete, stehe ich inmitten vieler elektrischer Geräte,

blaue, grüne, rote Dioden, die gelben Zahlen des einen, die weißen Ziffern des anderen Weckers, der Scanner, unter dessen Ritzen ein Schimmer zu sehen ist; es muß einen Stromausfall gegeben haben: die Zeitanzeige des Anrufbeantworters und des Videorekorders blinken, zeitweis zeitgleich, in nur ähnlichem, nicht gleichem Takt, knapp auseinanderweichend, beinahe in gemeinsamem Rhythmus,

dann durch Abfälschungen alles auflösend: dann die Leuchtpunkte des Modems, alles andere Dunkelheit.

Als wäre ich auf einer Landebahn zum Stillstand gekommen: mir würden Zeichen gegeben.

Logfiles Zurück Weiter Goncourt's Flucht nach draußen

KONVENTIONEN

Man stelle sich einen Menschen in der Masse vor, der sich so gleichförmig in ihr bewegt, dass man in seiner Gegenwart den Eindruck hat, aus dem Zentrum der Masse verdrängt zu werden. Die eigentliche Konvention trägt ihre Dialektik in sich: in ihrer Vollendung, ihrer radikalen Verwechselbarkeit ist sie unverwechselbar. Man denke an Straßenbahnkontrolleure in Zivil: „so durchschnittlich, dass man sie nicht übersehen kann“ – was das heißt, weiß man, wenn man mit ihnen zu tun hat…

Die Masse Mensch dient bei Edgar Allen Poe und E.T.A. Hoffmann als Signum der Austauschbarkeit. Hoffmanns „Automate“ glänzt durch eine Reibungslosigkeit des Handelns, die als 'leblos' empfunden wird (wobei dieses Attribut oft an die Stelle von 'tot' tritt: es verweigert sich ebenso den POMPES FUNEBRES wie der Erkenntnis, dass, was tot ist, gelebt haben muß). Don Siegel’s „Body Snatcher's“ steht unter diesem Zeichen: die Menschen werden durch ihre geschliffensten Kopien ersetzt, und jene, die übrigbleiben, wissen das eigenartige Verhalten ihrer Freunde nicht recht zu beschreiben.

Nicht umsonst ist der Gangsterfilm ein geeignetes Spielfeld der Konvention, steht ihm doch hierfür die Metapher des tödlichen Schusses zur Verfügung: zum Gangster einer bestimmten Sorte Film gehört der graue Mantel, das Fehlen einer Identität, die Mechanik einer Geste und das Untertauchen in der Masse. Die kalkulierte 'Leblosigkeit' seines Verhaltens bedingt den Tod seines Opfers.

Was wäre nun, wenn man die Klischees beiseite ließe, auf eine Pointierung durch die Schusswaffe verzichtete und von der Darstellung der Konvention zu deren Verwirklichung überginge? Es hieße, die Konvention festzuschreiben, den Gangsterfilm seines Todes zu berauben.

Es hieße, einem Straßenbahnkontrolleur zu begegnen, dessen Anwesenheit deutlich zu spüren ist – wie die Des HErrn in den alten Schriften – ohne dass er jemandem die Karte abverlangte. Der Fahrgast stiege aus der Bahn, ein Stück lebloser als sonst, ohne dass er wüsste, warum.