VERSUCH ÜBER
DIE VERLESUNG DES WETTERS
Die Wetternachrichten, die der Sprecher am Abend
liest, behalten einen Tag, vielleicht eine Woche Geltung; in diesem Zeitraum
erweist sich ihr Wert darin, ob sie sich erfüllen, ob sie das Abbildungsverhältnis
zu einer noch nicht vollzogenen Witterung werden einhalten können, gemäß
den Formeln, aus denen sie bestehen: ob die Formeln in ihrer Knappheit, ihrer
rein technischen Unterordnung einem Geschehen beikommen, welches kosmische Ausmaße
kennt - zumindest soweit dies dem pragmatischen Verhältnis des Publikums
dazu entgegenkommt.
Je knapper, je unverwechselbarer die beschreibende
Wendung, desto verifizierbarer wird sie, ohne der Illusion zu erliegen, es mit
einer Wolke, einem Sturm, einer aufschlagenden Woge aufzunehmen. Chaos verrichtet
das Wetter: die Sprache muß übersichtlich sein, muß sich beschränken,
an einige Stellen Konturen zu setzen, an anderen zu lassen. Keine Wetternachricht,
umgrenzt auf den Raum von fünf Minuten, hält es mit der Ewigkeit;
warum also sollte sie sich nicht auf die geradlinigste Skizze beschränken,
die die Weltläufte anstreift, wo sie sie benötigt.
Warum sollte sie impressionistische Umschreibungen
zulassen, die die Zuschauer mit dem Wetter versöhnen - ist nicht das Wetter
selbst schon kompliziert genug, als daß man es auf die Sprachspiele der
Berufspendler, der Bauern, der Wanderburschen, der manisch-depressiven Morgenmagazin-Klientel
reduzieren sollte?
Und warum sollte ich mich, unter der Klammer
einer anstehenden Bö, vom Moderator besänftigen lassen: weshalb adressiert
er seine Floskeln an mich mit dem Rest der Gesellschaft zusammen? Genügt
das trostlose Dasein eines gelangweilten Wetterfroschs, eine Billigkraft mit
derselben verschwörerischen Miene anzuzwinkern wie den Verwaltungsdirektor
mit gleichem Paß? Genügt schon die bornierte Einfachheit einer Wolke,
um die Brüche der Geschichte, der Gesellschaft, in den Klippen der Naturgewalt
verklingen zu lassen?
SCHALTKREIS DES SATZES
SCHREIBE EINEN SATZ
Schreibe einen Satz, der alles zu erfassen vermag.
Verteile die Informationen einer Handlung so über die
Schnittstellen eines Satzes, dass sie dessen Schaltung bewirken, statt
ihn zu unterbrechen; dass sich die Bezeichnungen mit den Funktionen, die
sie bezeichnen, decken; dass sie VOLLSTÄNDIG im Satz enthalten sind
und ihm doch nicht im Wege - auf dass Du den Wald siehst und zugleich die
Bäume.
BESCHREIBE EINE BEWEGUNG
Beschreibe den komplexen Bewegungsablauf
eines Menschen nachts; dessen, der sich aus dem Bett erhebt; der einen Kühlschrank
öffnet, eine Wasserflasche herausnimmt, sie öffnet, an die Lippen
setzt, trinkt, absetzt, zuschraubt, wegstellt, sich setzt; und in die Gegend
stiert.
Erstelle einen Satz oder mehrere, die kurz sind; die den Bewegungsablauf enthalten:
als Information, zugleich als Rhythmus, als Syntax. Die die Bedeutung dieser
Bewegung: ihre Alltäglichkeit
darstellen und realisieren gleichermaßen: in einem Zuge: die die Minutiosität
der Betrachtung mit größter Schlichtheit in die Handlung fügen,
sie gleichsam aus der Peripherie hineinführen in das Zentrum des Satzes.
Das meint den Blick der Lupe mit dem des Panoramas zu verweben: die Schilderung
des Details mit der des übergreifenden Prozesses, die Informationen, je
nachdem, als Substantiv, Verb, Artikel, Präposition, Pronomen in den großen
Sprachstrom zu werfen, der sie gelassen schluckt, obgleich er selbst sich jederzeit
in ihnen auflösen müsste.
DIE GLIEDER EINES SATZES VERLINKEN
Sich bei einer glaubwürdigen Autorität darüber versichern, wie
oft man die Wörter 'dann', 'während', 'als', 'nachdem', 'darauf',
'wie', 'aber', 'doch', 'jedoch' innerhalb eines Absatzes, geschweige denn eines
Satzes gebrauchen darf. Die unüberwindliche Vokabel 'und'.