Wikipedia und die Gültigkeit des Wissens

Zweifellos ist Wikipedia ein faszinierendes Projekt. Im Gegensatz zum klassischen enzyklopädischen Wissen, das aus seinen revolutionären Anfängen heraus in eine kaum hinterfragte Institution des Bürgertums mutierte, deren konkrete Autorschaft sich gottgleich unter einem Siegel des Schweigens verbarg, bietet dieses Projekt die Möglichkeit, die demokratische Aufbereitung eines diskutierbaren Wissens zu bieten.

Jeder kann Artikel schreiben, jeder kann jeden Artikel bearbeiten, jeder kann jede Bearbeitung wieder zurücknehmen. Man kann als anonymer Gast in das komplizierte Gefüge einer Kurzdarstellung der Neutronenbombe eingreifen und behaupten, ihr Brennstoff bestünde aus Sahne. Eine Redaktion beschränkt sich darauf, Schwachstellen mitzuteilen, in Diskussionen, die jederzeit mit einem Artikel verlinkt sind.

Einiges ist möglich:

Jede Änderung bleibt dokumentiert und umkehrbar, das ist das Wichtigste und auch das Merkwürdigste. Denn daß hier unter der Oberfläche genormter Formulierungen eine Diskussion stattfindet, die die definierten Begriffe doch verändert, sich zugleich jegliche Veränderung via Mausklick einfach streichen läßt, steht in einem seltsamen Widerspruch zueinander.

Hier erweist sich die Schwäche der Wikipedia:

Ihre Oberfläche, die sich sachlich gibt, apodiktisch wie nur das Wort der Enzyklopädisten, versiegelt am Schluß: als hätte es niemals irgendeine Skepsis gegeben bezüglich ’objektiven‘ Wissens, das sich als Stand der Dinge formuliert. Wikipedia entfacht eine Diskussion über die Gültigkeit des Wissens (niemand wird hier „in den Autoritäten“ nachschlagen können), zugleich aber verheimlicht sie diese. Autoren, die einander deutlich widersprechen, verschwinden im seriösen Fluss der Texte, die gleichsam von niemand zu stammen scheinen als von der Wissenschaft selbst. Wo es darum gehen müßte, Brüche offenzulegen, Auseinandersetzungen, Veränderungen, fügt sich alles in die Geschliffenheit gefaßten, definitorischen Stils.

Logfiles Zurück Weiter Goncourt's Flucht nach draußen

SCHALTKREIS DES SATZES

SCHREIBE EINEN SATZ

Schreibe einen Satz, der alles zu erfassen vermag.

Verteile die Informationen einer Handlung so über die Schnittstellen eines Satzes, dass sie dessen Schaltung bewirken, statt ihn zu unterbrechen; dass sich die Bezeichnungen mit den Funktionen, die sie bezeichnen, decken; dass sie VOLLSTÄNDIG im Satz enthalten sind und ihm doch nicht im Wege - auf dass Du den Wald siehst und zugleich die Bäume.

BESCHREIBE EINE BEWEGUNG

Beschreibe den komplexen Bewegungsablauf eines Menschen nachts; dessen, der sich aus dem Bett erhebt; der einen Kühlschrank öffnet, eine Wasserflasche herausnimmt, sie öffnet, an die Lippen setzt, trinkt, absetzt, zuschraubt, wegstellt, sich setzt; und in die Gegend stiert.

Erstelle einen Satz oder mehrere, die kurz sind; die den Bewegungsablauf enthalten: als Information, zugleich als Rhythmus, als Syntax. Die die Bedeutung dieser Bewegung: ihre Alltäglichkeit darstellen und realisieren gleichermaßen: in einem Zuge: die die Minutiosität der Betrachtung mit größter Schlichtheit in die Handlung fügen, sie gleichsam aus der Peripherie hineinführen in das Zentrum des Satzes. Das meint den Blick der Lupe mit dem des Panoramas zu verweben: die Schilderung des Details mit der des übergreifenden Prozesses, die Informationen, je nachdem, als Substantiv, Verb, Artikel, Präposition, Pronomen in den großen Sprachstrom zu werfen, der sie gelassen schluckt, obgleich er selbst sich jederzeit in ihnen auflösen müsste.

DIE GLIEDER EINES SATZES VERLINKEN

Sich bei einer glaubwürdigen Autorität darüber versichern, wie oft man die Wörter 'dann', 'während', 'als', 'nachdem', 'darauf', 'wie', 'aber', 'doch', 'jedoch' innerhalb eines Absatzes, geschweige denn eines Satzes gebrauchen darf. Die unüberwindliche Vokabel 'und'.