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ASCHE

Edmond, Du erinnerst Dich sicher an den Philosophie-Doktoranden, der in einer Jugendherberge in Neapel unter mir schlief?

Er war dort, um das Textfragment eines Vorsokratikers zu sichten, das aus der Lava von Pompeij ausgegraben worden war. Der letzte, der es überhaupt untersucht hatte, war ein deutscher Philologe im Jahr 1904. Der Doktorand musste etliche Kanäle von Beziehungen durchlaufen, um sich mit dem Stück beschäftigen zu dürfen. Dass er sein Ziel erreichte, war nicht selbstverständlich:

das Pergament war kaum einen Zentimeter groß und so zerbrechlich, dass man keine Glasplatte zum Schutz darauf legen konnte. Lava hatte die Fläche schwarz gefärbt, auch die Schrift war schwarz. Näher herankommen durfte man nicht: man hätte, was von dem winzigen Text übriggeblieben war, durch die Nase weggeatmet - in der Tat hatte wohl der Wissenschaftler, der es 1904 gesichtet hatte, die Hälfte davon geschnupft. Um das Maß voll zu machen, befanden sich auf dem Stück lediglich vier bis fünf unleserliche Worte, die für die Doktorarbeit von marginalem Wert waren, dennoch handelte es sich wenigstens um eines von (wenn ich mich richtig erinnere) sechzehn verbliebenen Zeugnissen, in denen der Philosoph überhaupt erwähnt wurde, ignorieren konnte man es also nicht.

Es gelang dem Doktoranden, einen Fehler in der bisherigen Transkription nachzuweisen — allerdings tangierte dies die eigentliche Arbeit nicht; nachts schlief er unruhig, warf sich von einer Seite zur anderen und sprach im Schlaf. «Ich bin jetzt der heilige Martin, ja?», sagte er, deutlich vernehmbar, bevor er ruhiger wurde und ich selbst der Müdigkeit erlag.