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EN PLEIN AIR

Laß mich folgendes Bild malen: inmitten einer Landschaft aus Stromzählern, Verkehrsschildern, Plakatresten, Schaufenstern, Hydranten das Tableau einer romantischen Berglandschaft. Die Akribie, mit der ich sie male: als ob sie existierte. Das entbehrt nicht der Ironie: die absolute Verneinung der Realität, die vollkommene Beziehungslosigkeit, wenn nicht Irrelevanz zwischen mir und dem Bild: ein schmerzhaftes Gefühl der Absurdität.

Anders: nehmen wir etwas Charakteristisches für die Straße einer deutschen Stadt, den Stromzähler. Ihn abmalen, mit äußerster Detailtreue, nichts auslassend:

nicht den verdreckten Sockel, das graue, von einer Plastikkappe verdeckte Schlüsselloch, nicht den Warnhinweis, die Überreste der Plakate, die an ihn geklebt, dann wieder abgerissen wurden; nicht seine zahllosen Schrammen, das Moos unter seinen Fugen. Nichts verfremden. Dahinter die Straße, die Fahrzeuge auf der Fahrbahn, die vorbeifahren, hupen, stehenbleiben, sich in Parkplätze ordnen, ausfahren, überholen, bremsen, quietschen, schlittern; die Scherben, die allenthalben umherliegen, Papierfetzen, kleine Steine, Blech und Plastik, Kronkorken, Dosenverschlüsse, Zigarettenstummel. Ein diffuses graues oder ein hartes Sonnenlicht, oder Regen, der die Straße schwärzt, Regenreste, die trocknen und Flecken mit stumpfen Rändern hinterlassen. Stromkabel, ein geometrisches Netz von ihnen. Masten, Ampeln, Stangen, Ketten, Büsche, Grasflächen, Mörtel, Gullis. Wenn Bäume in der Nähe sind, auch Zweige oder Blätter, eventuell Kastanien.

Je vollkommener der gemalte Stromzähler dem echten ähnelte, desto mehr tilgte ich mich aus seiner Welt, desto radikaler löschte ich mich aus dem Plan meines Bildes. Die absolute Kontemplation. Das ist mit Wirklichkeit unvereinbar. Die Erfahrung, daß es diesen Kasten, den ich male, nicht zweimal geben kann, im Bild nicht, auch nicht im Spiegel.