E.T.A. Hoffmann,
„Die Automate"
"'Mir sind', sagte Ludwig, „alle solche Figuren, die dem Menschen
nicht sowohl nachgebildet sind, als das Menschliche nachäffen, diese wahren
Standbilder eines lebendigen Todes oder eines toten Lebens, im höchsten
Grade zuwider. Schon in früher Jugend lief ich weinend davon, als man mich
in ein Wachsfigurenkabinett führte, und noch kann ich kein solches Kabinett
betreten, ohne von einem unheimlichen grauenhaften Gefühl ergriffen zu
werden. Mit Macbeths Worten möchte ich rufen: Was starrst du mich an mit
Augen ohne Sehkraft? Wenn ich die stieren, toten, gläsernen Blicke all
der Potentaten, berühmten Helden und Mörder und Spitzbuben auf mich
gerichtet sehe, und ich bin überzeugt, daß die mehrsten Menschen
dies unheimliche Gefühl, wenn auch nicht in dem hohen Grade wie es in mir
waltet, mit mir teilen, denn man wird finden, daß im Wachsfigurenkabinett
auch die größte Menge Menschen nur ganz leise flüstert, man
hört selten ein lautes Wort; aus Ehrfurcht gegen die hohen Häupter
geschieht dies nicht, sondern es ist nur der Druck des Unheimlichen, Grauenhaften,
der den Zuschauern jenes Pianissimo abnötigt. Vollends sind mir die durch
die Mechanik nachgeahmten menschlichen Bewegungen toter Figuren sehr fatal,
und ich bin überzeugt, daß euer wunderbarer geistreicher Türke
mit seinem Augenverdrehen, Kopfwenden und Armerheben mich wie ein negromantisches
Ungetüm vorzüglich in schlaflosen Nächten verfolgen würde.'"
E.T.A.Hoffmann, Werke in vier Bänden, Band III, Salzburg
1980, S. 276
LEGITIMATIONEN
Das Zimmer, das er bewohnt, mit den Dingen, die von ihm stammen, das Bett, in dem er schläft, der Schrank mit seinen
Kleidern und das Fenster, das ihm als Auge dient. Von den Büchern hat er jede Seite, Wort um
Wort gelesen; über alles hat er seine Hand streifen lassen, alles ist von ihm berührt, sortiert, gerichtet worden, an
einen Platz gestellt, für diesen Platz geschaffen.
Wenn er aber verschwindet?
Das Zimmer existiert weiter. Doch das, was es hätte erklären können, ist nicht mehr. Das Zimmer gerät zu einem
Schatten dessen, der ohne Abschied gegangen war. Die Bücher, vorher «Werke», sind nur noch Papier, das Fenster kein
Auge mehr, die Buchtungen im Bett absurd, denn worauf verweisen sie?
Ein neuer Mieter wird einziehen. Die Bücher wandern auf den Müll, das Bett, der Schrank werden folgen. Tapeten werden
abgerissen und durch neue ersetzt. Kein Zweifel: das Haus, in dem sich das Zimmer befindet, vermag die Lücke zu
schließen, die durch das Verschwinden des Vormieters entstanden war, es haftet dem aber etwas Ungehöriges an — kann es
sich noch irgend begründen ohne Erinnerung an den, der es bewohnt und zu dem gemacht hat, was es ist?
Das Vergessen, das sich über diese Wunde schließt, nimmt ihm einen Grund, überhaupt zu sein; Gespenstergeschichten
nehmen von hier ihren Ausgang.