FRANZOSEN...
EDMOND
Wenn ich, einen Text mir vorlesend, auf Stellen stoße, an denen meine Zunge strauchelt, weil sie
nicht weiß, wie sie die variablen Konsonanten, Vokale verschluckend, zu
einem Satzbogen formen soll, frage ich mich ungläubig, ob der Autor, beim
Aufziehen seines kleinen stilistischen Uhrwerks, die Wörter tatsächlich
so verlinkt hat, dass ein Franzose sie mit Leichtigkeit bewältigen kann.
Bei Valéry immerhin oder Mallarmé müsste man sich dessen
sicher sein, nicht wahr, Jules?
JULES
Was, wenn nicht 'Stil' den Ausschlag zu seiner Formulierung gab? Wenn ein Wort zwingend hart auf ein
andres folgen muss, aus Gründen des Inhalts, nicht der Form? — Obschon
es merkwürdig, holprig, in gewisser Weise 'unfranzösisch' klingt (und
sei es nur in den Ohren Jemandes mit dem Abschluß der Ecole supérieure
normale).
EDMOND
Würde ein französischer Stilist je einen 'unfranzösischen' Satz schreiben können?
JULES
Frag Gustave.
Aber denkst Du nicht, dass die Wörter nicht ohnehin so beschaffen sind,
wie sie sich — nach herkömmlichem (richtigem?) Gebrauch — genuin
in die Sätze fügen? Dass nicht die Bewegung der Zunge [langue] durch
die Wörter, sondern die Wörter durch die Bewegung der Zunge [langage]
sich haben prägen lassen — dass sie im Lauf von Jahrhunderten nicht
nur verschliffen, sondern aus den Artikulationen überhaupt aufgefangen
wurden, woraus sie dann ihre Definitionen erhielten? So ließe sich jedes
Wort als pars pro toto seiner Vermarktung
betrachten, nicht wahr, Edmond.
EDMOND
Dass Du alles so weltlich siehst, Jules.
LEGITIMATIONEN
Das Zimmer, das er bewohnt, mit den Dingen, die von ihm stammen, das Bett, in dem er schläft, der Schrank mit seinen
Kleidern und das Fenster, das ihm als Auge dient. Von den Büchern hat er jede Seite, Wort um
Wort gelesen; über alles hat er seine Hand streifen lassen, alles ist von ihm berührt, sortiert, gerichtet worden, an
einen Platz gestellt, für diesen Platz geschaffen.
Wenn er aber verschwindet?
Das Zimmer existiert weiter. Doch das, was es hätte erklären können, ist nicht mehr. Das Zimmer gerät zu einem
Schatten dessen, der ohne Abschied gegangen war. Die Bücher, vorher «Werke», sind nur noch Papier, das Fenster kein
Auge mehr, die Buchtungen im Bett absurd, denn worauf verweisen sie?
Ein neuer Mieter wird einziehen. Die Bücher wandern auf den Müll, das Bett, der Schrank werden folgen. Tapeten werden
abgerissen und durch neue ersetzt. Kein Zweifel: das Haus, in dem sich das Zimmer befindet, vermag die Lücke zu
schließen, die durch das Verschwinden des Vormieters entstanden war, es haftet dem aber etwas Ungehöriges an — kann es
sich noch irgend begründen ohne Erinnerung an den, der es bewohnt und zu dem gemacht hat, was es ist?
Das Vergessen, das sich über diese Wunde schließt, nimmt ihm einen Grund, überhaupt zu sein; Gespenstergeschichten
nehmen von hier ihren Ausgang.