TOPOGRAFIE DURCH GESCHICHTE

Gesetzt den Fall, man fände sich, ohne es zu wissen, auf dem Gelände der Stadt wieder, in welcher man dreißig Jahre gelebt hat (um das Wort Heimatstadt zu vermeiden), von welcher nur noch Grundrisse, Straßen existierten: wäre man imstande, sie wiederzuerkennen? Wären ihre Linien, Windungen, Anhebungen vertraut genug, dass man sie, während man sie abläuft, an den Schritten, die man in ihre Fläche setzt, an seiner eigenen Bewegung in ihr erkennen könnte?

Dann wäre die Stadt nur noch blanker Rahmen dessen, was man in Wahrheit von ihr kennt: sein Verhalten in ihr; dann wäre die Ansicht ihrer Fassaden lediglich Bestätigung des Vertrauten, Spiegel einer Topografie, die sich innen und außen deckt: sind doch die Straßen nur Zeugnis der Schritte, welche sie begründeten und breittraten, ehe Avenuen und Boulevards sich entrollten, ebenso, wie Konventionen aus dem Handeln der Massen folgten, ehe Konventionen das Handeln der Massen zu bestimmen begannen.

Man beachte, dass man einen Menschen an seiner Gangart erkennt, wenn man zu kurzsichtig ist, ihn sonst zu unterscheiden

Logfiles Zurück Weiter Goncourt's Flucht nach draußen

LEGITIMATIONEN

Das Zimmer, das er bewohnt, mit den Dingen, die von ihm stammen, das Bett, in dem er schläft, der Schrank mit seinen Kleidern und das Fenster, das ihm als Auge dient. Von den Büchern hat er jede Seite, Wort um Wort gelesen; über alles hat er seine Hand streifen lassen, alles ist von ihm berührt, sortiert, gerichtet worden, an einen Platz gestellt, für diesen Platz geschaffen.

Wenn er aber verschwindet?

Das Zimmer existiert weiter. Doch das, was es hätte erklären können, ist nicht mehr. Das Zimmer gerät zu einem Schatten dessen, der ohne Abschied gegangen war. Die Bücher, vorher «Werke», sind nur noch Papier, das Fenster kein Auge mehr, die Buchtungen im Bett absurd, denn worauf verweisen sie?

Ein neuer Mieter wird einziehen. Die Bücher wandern auf den Müll, das Bett, der Schrank werden folgen. Tapeten werden abgerissen und durch neue ersetzt. Kein Zweifel: das Haus, in dem sich das Zimmer befindet, vermag die Lücke zu schließen, die durch das Verschwinden des Vormieters entstanden war, es haftet dem aber etwas Ungehöriges an — kann es sich noch irgend begründen ohne Erinnerung an den, der es bewohnt und zu dem gemacht hat, was es ist?

Das Vergessen, das sich über diese Wunde schließt, nimmt ihm einen Grund, überhaupt zu sein; Gespenstergeschichten nehmen von hier ihren Ausgang.