BILDER

Eine Frau, Mitte 40, ein wenig üppig, die mit pfennigschmalen Absätzen über eine Eisscholle stakst und zögernd nach dem Weg fragt.

Ein unsichtbares Kind, das über die Sprechanlage seiner Haustür einen türkischen Gebetsruf nachahmt, füllend die Akustik einer aufgeräumten Straße.

Der desolate Prediger in der Fußgängerzone, gekleidet mit einem Jute-Poncho, den er sich selbst zurechtgeschnitten hat, mit verdreckten Hosen und verwilderten Bart. Und mit einem Schild, das er über die Menge hielt: Egoisten betrügen uns seit 1620 Jahren.

Das seltsame Paar hinter mir im Café, das nach einer kurzen Zeit lautstark sich zu zanken begann, bald aufsprang und Teller zerbrach. Als ich mich umdrehte, Scheinwerfer auf mich gerichtet, Kameras, Schauspieler.

Das junge indische Mädchen im leuchtend roten Festkleid, das auf einem Kickboard über den Nordmarkt führt.

Der Müllmann, an dem wir vorbeikommen, der gelassen Staubwolken mit einem Besen beiseitekehrt; der delikate Duft des Parfums, das er sich aufgetragen haben mag, ehe er in seine Kluft gestiegen war.

Die Weichheit einer Fassade, die wir immer wieder wahrnehmen, die scharfe Deutlichkeit der Kabel zwischen dieser Seite und jener gegenüber.

Logfiles Zurück Weiter Goncourt's Flucht nach draußen

FRANZOSEN...

EDMOND
Wenn ich, einen Text mir vorlesend, auf Stellen stoße, an denen meine Zunge strauchelt, weil sie nicht weiß, wie sie die variablen Konsonanten, Vokale verschluckend, zu einem Satzbogen formen soll, frage ich mich ungläubig, ob der Autor, beim Aufziehen seines kleinen stilistischen Uhrwerks, die Wörter tatsächlich so verlinkt hat, dass ein Franzose sie mit Leichtigkeit bewältigen kann. Bei Valéry immerhin oder Mallarmé müsste man sich dessen sicher sein, nicht wahr, Jules?

JULES
Was, wenn nicht 'Stil' den Ausschlag zu seiner Formulierung gab? Wenn ein Wort zwingend hart auf ein andres folgen muss, aus Gründen des Inhalts, nicht der Form? — Obschon es merkwürdig, holprig, in gewisser Weise 'unfranzösisch' klingt (und sei es nur in den Ohren Jemandes mit dem Abschluß der Ecole supérieure normale).

EDMOND
Würde ein französischer Stilist je einen 'unfranzösischen' Satz schreiben können?

JULES
Frag Gustave.
Aber denkst Du nicht, dass die Wörter nicht ohnehin so beschaffen sind, wie sie sich — nach herkömmlichem (richtigem?) Gebrauch — genuin in die Sätze fügen? Dass nicht die Bewegung der Zunge [langue] durch die Wörter, sondern die Wörter durch die Bewegung der Zunge [langage] sich haben prägen lassen — dass sie im Lauf von Jahrhunderten nicht nur verschliffen, sondern aus den Artikulationen überhaupt aufgefangen wurden, woraus sie dann ihre Definitionen erhielten? So ließe sich jedes Wort als pars pro toto seiner Vermarktung betrachten, nicht wahr, Edmond.

EDMOND
Dass Du alles so weltlich siehst, Jules.