ESSEN WIE GOTT IN FRANKREICH

„Ich beruhige Madame de Flahaut, deren Mann den Kopf verloren hat.“

Georges Pernoud/Sabine Flaissier (Hg.), Die Französische Revolution in Augenzeugenberichten, Übersetzung: Hagen Thürnau), 3.Aufl. München 1980

Marie-Antoinette wird von vielen Augenzeugen beim Essen beschrieben. Der Abgesandte der Nationalversammlung Péton, der mit der königlichen Familie in der Kutsche sitzt, die sie unter wütenden Volksmassen nach Paris zurückbringen soll, berichtet:

„Dennoch benutzte die Königin einen Augenblick, um den Vorhang herabzulassen [ihn zu öffnen]. Sie aß gerade ein Taubenbein. Das Volk murrte, und Madame Elisabeth wollte eilig den Vorhang aufziehen. Aber die Königin widersetzte sich und sagte: 'Nein, man muß Charakter haben.' Sie paßte genau den Augenblick ab, als das Volk sich beruhigt hatte, und hob selber den Vorhang, um glauben zu machen, daß sie es nicht tat, weil man es verlangt hatte; sie warf den Knochen des Taubenbeins aus dem Menster und wiederholte ihre eigenen Worte: 'Man muß Charakter haben bis zum Ende'“

Logfiles Zurück Weiter Goncourt's Flucht nach draußen

FRANZOSEN...

EDMOND
Wenn ich, einen Text mir vorlesend, auf Stellen stoße, an denen meine Zunge strauchelt, weil sie nicht weiß, wie sie die variablen Konsonanten, Vokale verschluckend, zu einem Satzbogen formen soll, frage ich mich ungläubig, ob der Autor, beim Aufziehen seines kleinen stilistischen Uhrwerks, die Wörter tatsächlich so verlinkt hat, dass ein Franzose sie mit Leichtigkeit bewältigen kann. Bei Valéry immerhin oder Mallarmé müsste man sich dessen sicher sein, nicht wahr, Jules?

JULES
Was, wenn nicht 'Stil' den Ausschlag zu seiner Formulierung gab? Wenn ein Wort zwingend hart auf ein andres folgen muss, aus Gründen des Inhalts, nicht der Form? — Obschon es merkwürdig, holprig, in gewisser Weise 'unfranzösisch' klingt (und sei es nur in den Ohren Jemandes mit dem Abschluß der Ecole supérieure normale).

EDMOND
Würde ein französischer Stilist je einen 'unfranzösischen' Satz schreiben können?

JULES
Frag Gustave.
Aber denkst Du nicht, dass die Wörter nicht ohnehin so beschaffen sind, wie sie sich — nach herkömmlichem (richtigem?) Gebrauch — genuin in die Sätze fügen? Dass nicht die Bewegung der Zunge [langue] durch die Wörter, sondern die Wörter durch die Bewegung der Zunge [langage] sich haben prägen lassen — dass sie im Lauf von Jahrhunderten nicht nur verschliffen, sondern aus den Artikulationen überhaupt aufgefangen wurden, woraus sie dann ihre Definitionen erhielten? So ließe sich jedes Wort als pars pro toto seiner Vermarktung betrachten, nicht wahr, Edmond.

EDMOND
Dass Du alles so weltlich siehst, Jules.